Politische Steuerung und Partizipation in der Behindertenpolitik: Eine vergleichende Analyse von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union

Das Handeln des Staates hat viele Facetten; unter anderem geht es um die Gestaltung von politischen Rahmenbedingungen für die Interessenvertretung. Diese haben auch Auswirkungen auf die politische Partizipation der Gruppe der Menschen mit Behinderungen (vgl. Naue/Waldschmidt 2022). Institutionelle Strukturen und Mechanismen können Menschen mit Behinderungen in ihren demokratischen Rechten stärken und schützen oder behindern und einschränken.

Die volle und wirksame Partizipation von Menschen mit Behinderungen in Gesellschaft und Politik ist ein Kernelement der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Artikel 29 UN-BRK verpflichtet die Vertragsstaaten, ihre Mitwirkung an den öffentlichen Angelegenheiten zu begünstigen und aktiv ein Umfeld zu fördern, in dem Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung und gleichberechtigt mit anderen wirksam und umfassend an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten mitwirken können. Aufbauend auf Empfehlungen des UN-BRK-Ausschusses von 2015 hat die UN-Sonderberichterstatterin 2016 als Element wirksamer Partizipation auch die Einrichtung von institutionalisierten Konsultationsgremien und -mechanismen auf allen Ebenen der Regierung benannt. Diese Vorgaben müssen von den Vertragsstaaten umgesetzt werden und rücken den Staat als Verantwortlichen für die Gewährleistung der politischen Partizipation der Menschen mit Behinderungen in den Fokus.

Vor diesem Hintergrund sollen im Rahmen der Dissertation die institutionellen Rahmenbedingungen in den nationalen Behindertenpolitiken ausgewählter EU-Staaten (Deutschland, Italien, Schweden, Dänemark, Irland, Kroatien und Tschechien) sowie die unterschiedlichen Möglichkeiten der politischen Steuerung und Partizipation vergleichend untersucht werden.

Ziel dieses Promotionsvorhabens ist es, anhand von Dokumentenanalyse und qualitativen Interviews (vgl. u.a. Mayring 1983) und einer zu entwickelnden Kategorisierung (vgl. Arnstein 1969) zu untersuchen, welche strukturellen Maßnahmen, Trends und Treiber für eine verstärkte Inklusion behinderter Menschen in die politische Partizipation nachgewiesen werden können. Die implementierten Maßnahmen der zu untersuchenden Staaten sollen verglichen und bewertet werden. Als theoretische Grundlage werden die Ansätze der Governance (vgl. Benz 2001) und des Neo-Institutionalismus (vgl. DiMaggio/Powell 1983) benutzt.

 

Literatur:

Arnstein, Sherry R. (1969): A Ladder Of Citizen Participation. In: Journal of the American Institute of Planners, Jg. 35, Nr. 4, S. 216-224.

Benz, Arthur (2008): Der moderne Staat: Grundlagen der politologischen Analyse. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag.

DiMaggio, Paul J./ Powell, Walter W. (1983): The Iron Cage Revisited - Institutional Isomorphism and Collective Rationality in Organizational Fields. In: American Sociological Review, Jg. 48., Nr. 2, S. 147-160.

Mayring, Philipp (1983): Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. Weinheim und Basel: Beltz Verlag.

Naue, Ursula, Waldschmidt, Anne (2022): Politikwissenschaftliche Disability Studies. In: Waldschmidt, Anne (Hrsg.) (2022): Handbuch Disability Studies. Wiesbaden: Springer VS, S. 161 – 183.