PALiU: Professionalisierungswege angehender Lehrkräfte im institutionellen Übergang zwischen Universität und Schule

 

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Projektlaufzeit: seit März 2025

Projektleitung: PD Dr. Michaela Artmann, Prof. Dr. Petra Herzmann

Kontakt: michaela.artmann@uni-koeln.de

 

Durch den bundesweit anhaltende Lehrkräftemangel wird der Blick von Bildungspolitik, Wissenschaft und Schulpraxis nicht nur auf Maßnahmen zur Rekrutierung zusätzlicher Lehrkräfte (z.B. Quer- und Seiteneinsteiger:innen, pensionierte oder studentische Lehrkräfte; Bellenberg et al. 2021, Kuhn 2023) gelenkt, sondern auch auf die Frage, wie die hohe Abbruchquote von Lehrkräften, die sich inzwischen auch auf Lehramtsstudierende und Referendar:innen ausweitet (Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft 2024), minimiert werden kann. Wie unsere Vorstudien zeigen, scheinen insbesondere die institutionellen Übergange zwischen schulpraktischen und universitären Anteilen der Lehrkräftebildung, namentlich die Rückkehr vom Praxissemester in die universitäre Lehre sowie der Übergang vom Studium in den schulischen Vorbereitungsdienst, vulnerable Phasen im Hinblick auf einen möglichen Ausstieg aus der (anvisierten) Lehrer:innenlaufbahn zu sein. Dabei bleibt bislang jedoch offen, inwiefern die (auch zeitweilige) Abwendung vom Lehrer:innenberuf durch kontextuelle Bedingungen erzwungen oder als freiwillige berufliche Umorientierung nach einer prinzipiell erfolgreichen Ausbildung erfolgt. Nach Eulenberger (2018) stellen insbesondere verzögerte Übergänge in Referendariat oder Schuldienst Abweichungen von der Logik des institutionellen Ablaufmusters Studium – Vorbereitungsdienst – Schullehrtätigkeit dar. Dies widerspricht der lange geltenden Vorstellung, der Übergang von der Universität in den Lehrberuf sei per se linear, institutionell angeleitet und einem klar strukturierten Ablauf unterworfen, und unterstreicht die Erkenntnis, dass auch strukturelle Rahmenbedingungen individuell bearbeitet werden müssen (Ülpenich 2015). Zudem beschreibt die Übergangsforschung allgemein eine zunehmende institutionelle, ressourcenbezogene und zeitliche Dekonturierung von Lebensläufen im Übergang, die in der Folge stärker selbstorganisiert und selbstverantwortet verlaufen (Heinz 2000). Dies gilt auch für die in einem stark individualisierten Kontext eingebetteten Statuspassagen auf dem Weg in den Schuldienst, die den angehenden Lehrkräften gesteigerte Vermittlungsleistungen zwischen eigenen Ansprüchen und Anforderungen abverlangen (Ülpenich 2015).

Eine bedeutsame Rolle spielt dabei auch die zunehmende Heterogenität der angehenden Lehrpersonen. So nimmt bspw. der Anteil an Lehramtsstudent:innen mit Migrationshintergrund stetig zu, was insbesondere mit Blick auf die Funktion von Lehrer:innen mit Migrationserfahrungen als Rollenmodelle für Schüler:innen  explizit begrüßt wird (Wolf et al. 2021, Lengyel & Rosen, 2015). Dessen ungeachtet berichten Lehramtsstudierende mit Migrationshintergrund zahlreiche Schwierigkeiten an Lehrkräfteausbildungsstätten, die ihren erfolgreichen Abschluss erschweren und das Risiko eines Drop-Outs verstärken (Allen et al., 2016), bislang jedoch wenig untersucht sind (Wolf et al. 2021). Daneben werden (Bildungs-)Herkunftseffekte und herkunftsspezifisches Entscheidungsverhalten (Bachsleitner et al. 2020), z.B. bei First Generation Students (Grunau & Petzold-Rudolph 2021) als ebenso bedeutsam für die Entstehung von sozialer Ungleichheit im Studium berichtet wie Geschlechtereffekte, die sich bspw. in einem stringenteren Übergang von Frauen in Vorbereitungsdienst und Lehrkraftberuf zeigen. Insbesondere junge Männer wechseln dagegen generell häufiger ihre Beruf(splän)e, wobei sie auch finanziell stärker von einem Ausstieg aus dem Lehrberuf profitieren (Franz et al. 2023). Dass Bildungsübergänge zentrale Orte der Entstehung sozialer Ungleichheit darstellen (Bachsleitner et al. 2016), lässt sich daher insbesondere auch auf den Einfluss der jeweiligen biographischen Ressourcenausstattung zurückführen. Denn diese prägt die subjektiven Vermittlungsleistungen bei der Bewältigung der Passagen sowie die Wahrnehmung und Bearbeitung von Anforderungen und Ansprüchen im Übergang (Ülpenich 2015).

Im Mittelpunkt unserer Interviewstudie stehen daher die Statuspassagen im Zeitraum vom Praxissemester bis zum erfolgten Einstieg in den Vorbereitungsdienst sowie die Bearbeitungs- und Bewältigungsstrategien der Studierenden, Praktikant:innen bzw. Referendarinnen. Dazu wird längsschnittlich über mehrere Erhebungszeitpunkte hinweg untersucht, mit welchen (Status-)Anforderungen die angehenden in Übergängen zwischen den Systemen Hochschule und Schule konfrontiert werden, wie sie diese bearbeiten und welche Erfahrungen und Vorerfahrungen in diesen Übergängen berufsbiographisch bedeutsam sind. In den Blick genommen werden sowohl die Rollen(selbst)erwartungen bzw. Selbst- und Fremdbilder (Ülpenich 2015) sowie institutionellen Adressierungen (Güvenç 2024) in den jeweiligen ausbildungsbezogenen Positionen als auch die soziale Praxis der Herstellung und Gestaltung der fokussierten Übergänge einschl. übergangsbezogener Herausforderungen und diesbezüglicher Bewältigung(sversuche) (Hof & Bernhard 2022). Dabei soll die Heterogenität der angehenden Lehrer:innen unter besonderer Berücksichtigung sozialer Ungleichheitsdimensionen wie Geschlecht, Migrations- und sozio-ökonomischer Hintergrund sowie Beeinträchtigungen/Behinderung in die Rekonstruktion von Wahrnehmung und Gestaltung der Übergänge (Becker & Reimer, 2010) einbezogen werden.

Aus einer berufsbiographischen bzw. habitusbezogenen Perspektive liegt unser Augenmerk zudem auf der Rekonstruktion charakteristischer Entwicklungsaufgaben und Anforderungen in den jeweiligen berufsvorbereitenden Phasen (Keller-Schneider 2010), auf der Bearbeitung  von Ungewissheiten und Krisen und deren Bedeutung für die Professionalisierung angehender Lehrer:innen (Dietrich 2018, Kosinar 2018, Wernet 2007) sowie auf Persistenz und Wandel von Orientierungsrahmen (Košinár & Laros 2020, 256) in den berufsbiographischen Verläufen zwischen Lehramtsstudium und Einstieg in die (Ausbildungs-)Schule.

Ziel des Projekts ist insgesamt die Erforschung individueller und struktureller Bedingungen, die die Professionalisierungswege angehender Lehrer:innen auszeichnen, erleichtern bzw. erschweren, die Erfassung individueller Motivationshintergründe und Drop-Out-Gründe bzgl. der schulberuflichen Laufbahn sowie der Transfer diesbezüglicher Erkenntnisse in wirksame(re) Handlungsoptionen für die Lehrkräftebildung und die Begleitung berufseinsteigender Lehrkräfte.

 

 

Literatur:

Allen, R., Bibby, D., Parameshwaran, M., & Nye, P. (2016). Linking ITT and workforce data (Initial Teacher Training Performance Profiles and School Workforce Census). https://ffteducationdatalab.org.uk/wp-content/uploads/2016/07/Linking_ITT_and_workforce_data.pdf

Bachsleitner, A.; Neumann, M.; Becker, M. & Maaz, K. (2020). Soziale Ungleichheit bei den Übergängen ins Studium und in die Promotion. Eine kumulative Betrachtung von sozialen Herkunftseffekten im nachschulischen Bildungsverlauf. Soziale Welt 71(3), S. 308-340.

Becker, B., & Reimer, D. (2010). Etappen in der Bildungsbiographie. Wann und wie entsteht Ungleichheit ? In Dies. (Hrsg.), Vom Kindergarten bis zur Hochschule. Die Generierung von ethnischen und sozialen Disparitäten in der Bildungsbiographie (S. 7 –  15). Wiesbaden: Springer VS.

Bellenberg, G.; Bressler, C.; Rotter, C. & Reintjes, C. (2021). Die berufsbegleitende Qualifizierung im Seiteneinstieg als kohärenter Zugang in den Lehrer*innenberuf? Die Perspektive von Schulen und Studienseminaren. In C. Reintjes, T.-S. Idel, G. Bellenberg & K.V. Thönes (Hrsg.). Schulpraktische Studien und Professionalisierung: Kohärenzambitionen und alternative Zugänge zum Lehrberuf (S. 223-242). Münster: Waxmann.

Dietrich, F. (2018). Ungewissheit im Referendariat. Professionalisierung als Krisenbearbeitung. In: A. Paseka, M. Keller-Schneider & A. Combe (Hrsg.). Ungewissheit als Herausforderung für pädagogisches Handeln (S. 277-297). Wiesbaden: Springer VS.

Eulenberger, J. (2018). Lehramtsstudium - und dann? Übergangswege nach einem Lehramtsstudium vor dem Hintergrund sich verändernder Arbeitsmarktbedingungen. Zeitschrift für empirische Hochschulforschung 2 (1), S. 75-92.

Franz, S.; Gäckle, S. & Menge, C. (2023). Übergänge von Lehramtsabsolventinnen und -absolventen: Wer bleibt im ersten Jahr nach Studienabschluss auf dem Weg zur Lehrkraft? In J. Ordemann, F. Peter & S. Buchholz (Hrsg.). Vielfalt von hochschulischen Bildungsverläufen. Wege in das, durch das und nach dem Studium S. X-222.

Grunau, J. & Petzold-Rudolph, K. (2021). First Generation Students in den beruflichen Lehramtsstudiengängen. https://www.bwpat.de/spezial18/grunau_petzold-rudolph_spezial18.pdf.

Güvenç, E. (2024). „Wenn Sie über den Markt gehen und nichts kaufen …“. Institutionelle Adressierungen und transsituative Re-Adressierungen zu Beginn des Studiums zum Lehrberuf. In M. Kowalski, A. Leuthold-Wergin, M. Fabel-Lamla, P. Frei & B. Uhlig (Hrsg.). Professionalisierung in der Studieneingangsphase der Lehrer:innenbildung. Theoretische Perspektiven und empirische Befunde (S. 169-184). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

Heinz, W. (2000): Übergänge. Individualisierung, Flexibilisierung und Institutionalisierung des Lebensverlaufs. Zeitschrift für Sozialisationsforschung und Erziehungssoziologie, Beiheft 3, S. 4-9.

Hof, C. & Bernhard, M. (2022). Übergänge als Anlass für Lernprozesse. In S. Andresen, P. Bauer, B. Stauber & A. Walther (Hrsg.). Doing transitions - die Hervorbringung von Übergängen im Lebenslauf (S. 181-194). Weinheim: Beltz Juventa.

Keller-Schneider, M. (2010). Entwicklungsaufgaben im Berufseinstieg von Lehrpersonen. Beanspruchung durch berufliche Herausforderungen im Zusammenhang mit Kontext- und Persönlichkeitsmerkmalen. Münster: Waxmann.

Košinár, J. (2018). Konstruktionen von Professionalität und Ungewissheitserfahrungen im Referendariat. In A. Paseka, M. Keller-Schneider & A. Combe (Hrsg.). Ungewissheit als Herausforderung für pädagogisches Handeln (S. 255-276). Wiesbaden: Springer VS.

Košinár, J. & Laros, A. (2020). Orientierungsrahmen im Wandel? Berufsbiographische Verläufe zwischen Studium und Berufseinstieg. In I. van Ackeren, H. Bremer, F. Kessl, H.C. Koller, N. Pfaff, C. Rotter, D. Klein, U. Salaschek (Hrsg.). Bewegungen. Beiträge zum 26. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (S. 255-268). Opladen: Barbara Budrich.

Kuhn, A. (2023). Mehrheit der Länder wirbt gezielt um Lehrkräfte im Pensionsalter. Beitrag auf Deutsches Schulportal der Robert Bosch Stiftung vom 24.07.2023. Online unter: https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/laenderueberblick-umfrage-lehrermangel-pensionierte-lehrer/#:~:text=Pensionierte%20Lehrkr%C3%A4fte%20werden%20seit%202020,zur%20Aufholung%20pandemiebedingter%20Lernr%C3%BCckst%C3%A4nde%20eingesetzt

Lengyel, D., & Rosen, L. (2015). Minority teachers in different educational contexts: Introduction. Tertium Comparationis. Journal für International und Interkulturell Vergleichende Erziehungswissenschaft, 21(2), 153–160.

Neuweg, G. H. (2022). Lehrerbildung. Zwölf Denkfiguren im Spannungsfeld von Wissen und Können. Münster, New York: Waxmann.

Rothland, M. (2020). Theorie-Praxis-Verhältnis in der Lehrerinnen-und Lehrerbildung. In C. Cramer, J. König, M. Rothland & S. Blömeke (Hrsg.) Handbuch Lehrerinnen- und Lehrerbildung (S. 133-140). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft (2024). Der Lehrkräftetrichter. Schwund im Studium und die Relevanz der Lehrkräftebildung, Policy Paper °6. Online unter: https://www.stifterverband.org/sites/default/files/2024-12/lehrkraeftetrichter_laenderausgabe.pdf [11.08.2025].

Ülpenich, B. (2015). Der Weg in die Schule - Passagenbewältigung von Lehramtsanwärtern und-anwärterinnen in Eigenkonstruktion. In: S. Schmidt-Lauff, H. von Felden & H. Pätzold, (Hrsg.). Transitionen in der Erwachsenenbildung. Gesellschaftliche, institutionelle und individuelle Übergänge (S. 151-162). Opladen: Barbara Budrich.

Wernet, A. (2007). Lehrerbildung als Identitätsproblem: Fallstudien zu Problemen der subjektiven Selbstverortung von ReferendarInnen.
Abschlussbericht einer vom Zentrum für Lehrerbildung der Universität Potsdam geförderten hermeneutischen Begleituntersuchung zur Potsdamer LAK-Studie.
https://www.iew.uni-hannover.de/fileadmin/iew/Dateien_Arbeitsbereich_Wernet/Projekte/GD_Abschlussbericht_LAK__AKURAT_.pdf

Wolf, K.; Maurer, C. & Kunter, M. (2021). “I Don’t Really Belong Here”. Examining Sense of Belonging in Immigrant and Nonimmigrant Teacher Students. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie 53 (1-2), 1–14.