Sitzungsthema: Profilbewusstsein. Medienreflexionen der Selbstverdatung in Bildungskontexten

Der Vortrag geht davon aus, dass sich in den letzten Jahrzehnten ein Profilierungsdispositiv etabliert hat. Selbiges verfolgt die Strategie, über die mediale Form des Profils Subjekte und Objekte als Zusammenstellung von Merkmalen und deren Ausprägungen hervorzubringen und Passungen zwischen ihnen herzustellen. Prominente Beispiele sind neben personalisierten Inhalten auf Google, TikTok und Co. oder Produktempfehlungen und individualisierten Preisen auf Amazon auch eigens erstellte Selbstdarstellungen auf Instagram oder Facebook. Selbst- und Fremdprofilierung gehen dabei vielfältige Wechselbeziehungen ein und generieren spezifische Subjektpositionen. Darin wird das Subjekt in der Regel dazu angehalten, sein eigenes Ist-Profil an ein gegebenes Soll-Profil anzupassen.
In Bildungskontexten kommt das Profilierungsdispositiv sowohl im Sinne der Bildung mit, über als auch durch Medien zum Tragen. Über Zeugnisse und (IQ-)Tests sind formale Bildungsinstitutionen spätestens seit Beginn des 20. Jh. und in jüngerer Vergangenheit über Kompetenzmatrizen und adaptive Lernsysteme an der Etablierung des Profilierungsdispositivs beteiligt. Profile sind dabei zum einen Teil didaktischer und bürokratischer Praktiken der Bildung mit Medien, zum anderen aber auch eine mediale Form, die bestimmte Subjektpositionen und damit Selbst- und Weltverhältnisse und auf diese Weise Bildung durch Medien konstituiert. Letzteres trifft auch auf informelle Bildungsprozesse im Sinne der Hervorbringung von Selbst- und Weltverhältnissen in alltäglichen Medienpraktiken im Kontext von Google, Instagram und anderen zu. Diese können im Sinne der Bildung über Medien wiederum zum Gegenstand z.B. schulischen Unterrichts gemacht werden.
Der Vortrag wird einige der angesprochenen Beziehungen zwischen Bildung und Profilen skizzieren und mit der Medienkonstellationsanalyse ein Verfahren vorschlagen, um eine Art Profilbewusstsein herzustellen, das in der Lage ist, die mit den Selbstverdatungspraktiken verbundenen Subjektpositionen zu konturieren und kritisch zu reflektieren. Auf dieser Grundlage, so die These, lässt sich ein medienkulturwissenschaftlich fundierter Beitrag zu Konzepten wie Data Literacy, digital Literacy oder auf datenbasierte Medien bezogene Medienkompetenz und Medienbildung leisten. 
 

 Zur Person:


Dr. Andreas Weich ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Mediale Transformationen am Leibniz-Institut für Bildungsmedien und leitet die Nachwuchsforschungsgruppe „Postdigitale Medienkonstellationen in der Bildung“ im Leibniz-WissenschaftsCampus – Postdigitale Partizipation – Braunschweig.
Zuvor war er wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Projektgruppe Lehre und Medienbildung an der TU Braunschweig und Leiter der Koordinationsstelle Medienwissenschaften am Institut für Medienwissenschaft an der HBK Braunschweig. Er hat an der Universität Paderborn mit einer Dissertation zur Genealogie und Medialität von Profilierungstechniken und -praktiken promoviert und war dort Stipendiat und wissenschaftlicher Mitarbeiter im DFG-Graduiertenkolleg „Automatismen“. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Medien- und Bildungstheorie, Diskurs- und Dispositivanalyse, digitale Medien, Medienkonstellationen und Postdigitalität.
 
 
Bildcredits: Stephanie Weich.