
Exzessivität digitaler Praktiken in der späten Jugendphase (Exis)
Projektlaufzeit: 09/2024 bis 08/2027
Projektteam
- Jun.-Prof. Dr. Michaela Kramer (Projektleitung)
- Yvonne Bönninger (Wissenschaftliche Mitarbeiterin)
- Noah Hernanz Lampe (studentischer Mitarbeiter)
Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Problembeschreibung
Exzessive Mediennutzung wurde in den letzten Jahren vermehrt auch unter den Schlagworten Mediensucht, Internetabhängigkeit, pathologische Mediennutzung, Computerspiel-, Social-Media- oder Smartphonesucht diskutiert. Sie wurde dabei vor allem mit Studien im suchtmedizinischen und psychologischen Bereich untersucht. In vielen Fällen handelt es sich bei exzessiver Mediennutzung jedoch nicht um psychische Störungen oder Suchterkrankungen, sondern um Erziehungs- und Entwicklungsprobleme, die mit pädagogischen Maßnahmen, Beratungs- und Bildungsangeboten bewältigt oder verhindert werden können. Erziehungswissenschaftliche Perspektiven, mit denen entsprechende Unterstützungsbedarfe erfasst werden, sind aber bislang nur vereinzelt zu finden. Die Exis-Studie widmet sich diesem Desiderat und nimmt dabei mit der späten Jugend eine Lebensphase in den Blick, die in vorliegenden Studien kaum beleuchtet wurde.
Forschungsfragen
Die Studie bearbeitet die folgenden Fragestellungen:
- Welche Handlungsorientierungen liegen exzessiven Medienpraktiken zugrunde und wie sind diese in die Alltagsstrukturierung der Individuen eingebettet?
- Wie bedingt die Exzessivität der digital-medialen Praxis Biografien und auf welche Weise ist die Exzessivität biografisch entstanden oder auch überwunden worden?
Im Rahmen der beiden Fragen interessieren die Rolle von Generationenverhältnissen und sozialen Beziehungen für die Entwicklung und Zuschreibung exzessiver Medienpraktiken sowie Fragen nach der verteilten Handlungsmacht zwischen Medium und Mensch.
Forschungsdesign
Die Studienteilnehmer*innen werden aus der Stichprobe der Längsschnittstudie Verläufe exzessiver Internetnutzung in Familien (VEIF) rekrutiert, in der über zehn Jahre Fragebogenerhebungen zum entsprechenden Thema stattfanden (2015 bis 2025). Insgesamt 27 Personen im Alter von 19 bis 22 Jahren werden nach dem Kriterium, ob sie bei mindestens einer der drei Skalen zur Diagnostik internetbezogener Störungen über dem anerkannten Cut-Off-Wert liegen, rekrutiert: Problematische Internetnutzung, Internet Gaming Disorder oder Social Media Disorder. Auch wenn dem Exis-Projekt ein Verständnis von Exzessivität digitaler Praktiken zugrunde liegt, das diese nicht primär als diagnostizierte Suchterkrankung versteht, bildet doch der gewählte Rekrutierungsansatz einen geeigneten Zugang zu potenziell aufschlussreichen Fällen für die Beantwortung der Forschungsfragen.
Methodologisch ist das Projekt an der Schnittstelle von medienbiografischer Forschung (Bettinger & Kramer 2025) und Praxeologischer Wissenssoziologie (Bohnsack 2017) verortet, womit ein Subjektverständnis angelegt ist, das dessen biografische Gewordenheit und Eingebundenheit in kollektive Zusammenhänge sozialer Praxis betont. Mit einem „Quality driven Mixed-Methods Approach“ (Hesse-Biber 2010), der epistemologisch und methodologisch die konstruktivistische Orientierung stärker gewichtet, werden quantitative Sekundäranalysen der vorliegenden VEIF-Daten vorgenommen sowie multimodale Medientagebücher (via Smartphone App) und narrative Interviews (inklusive einer Legetechnik zur visuell gestützten Erfassung von Medienrepertoires) erhoben. Pro Fall kann somit auf die Tagebucheinträge (Text- und Sprachnachrichten, Bilder und Screenshots), Interviewtranskripte sowie auf die Dokumentation der Legetechnik zurückgegriffen werden. Zudem liegen die Längsschnittdaten der VEIF-Studie vor, wodurch Auffälligkeiten in den quantitativen Daten als Indiz für interpretativ bedeutsame Passagen der Interviews gedeutet werden und umgekehrt Kontextdaten aus den Fragebögen zum besseren Verständnis der retrospektiven Interviews beitragen können. Die qualitativen Daten werden aktuell mit der Dokumentarischen Methode (Nohl 2017; Bohnsack 2017) ausgewertet.
Projektbezogene Vorträge
03/26 (angenommen) Exzessive Medienpraktiken im Kontext krisenreicher Jugenden. Multimethodische Zugänge zu biografischen Bruchlinien / Michaela Kramer & Yvonne Bönninger / Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) "Brüche" / München
01/26 (angenommen) Exzessive Medienpraktiken biografisch erkunden / Michaela Kramer & Yvonne Bönninger / Tagung "Spektrum der Dokumentarischen Methode" (20 Jahre ces. e.V.) / Berlin
01/26 (eingeladen) Verteilte Verantwortlichkeiten – Eine relationale Perspektive auf das Phänomen exzessiver Medienpraktiken / Yvonne Bönninger & Michaela Kramer / Ringvorlesung Intermedia / Universität zu Köln
09/25 Excessive Digital Practices in the Late Youth: Insights from a Mixed-Methods Study / Michaela Kramer & Yvonne Bönninger / ECER 2025 “Charting the Way Forward: Education, Research, Potentials and Perspectives” / University of Belgrade (Serbia)
03/25 Subjekte im medienpädagogischen Diskurs um eine Exzessivität digitaler Praktiken / Michaela Kramer & Yvonne Bönninger / Frühjahrstagung der Sektion Medienpädagogik der DGfE / Universität Rostock
