Ethic, didactic, disaster resilience

Konferenz und Publikation:

Bilgi, O., Huf, C., Kluge, M., Stenger, U. (u.a.) (Hg.) (2024):

Zur Verwobenheit von Natur und Kultur. Theoriebildung und Forschungsperspektiven in der Pädagogik der frühen Kindheit. Beltz Juventa: Weinheim, Basel

Eine Trennung von Natur und Kultur war für das moderne Denken und damit auch die Frühpädagogik über lange Zeit konstitutiv. Die Verletzlichkeit von Mensch und Welt in der Klimakrise und im Zeitalter des Anthropozäns ist ein Motor, Alternativen einer relationalen Verhältnisbestimmung von Menschen in NaturKulturen für die Theoriebildung und Forschung in der Pädagogik der frühen Kindheit zu erkunden. Die versammelten Beiträge widmen sich Fragen zu anthropologischen Bildern von Kindern und ihrer Bildung, zu empirischen Konkretisierungsfeldern in pädagogisch gerahmten Situationen sowie politischen und ethischen Perspektiven für die Forschung und Praxis der Frühpädagogik.

Beiträge darin aus dem Forschungsteam:

Lanz, Helza, Stenger, Ursula, Baedorf, Fabian: Die Flutkatastrophe im Westen Deutschlands: ein Ereignis zwischen Kindern, Familien, Kitas, Wasser und Schlammfluten, Räumen, Tieren und Dingen.

“Firstly, human and planetary sustainability is one and the same thing“ (common world research collective 2020). Der Beitrag konkretisiert die Perspektive einer Verborgenheit von Menschen mit der Erde, mit der sie leben, in Bezug auf die Flutkatastrophe 2021 im Westen Deutschlands. Inspiriert von Posthumanistischen Theorieperspektiven einer gegenseitigen Angewiesenheit, Verletzbarkeit und Abhängigkeit erkunden die Autor*innen die Flutkatastrophe ethnographisch: ein Bach wird zum reißenden Fluss und verwebt sich mit dem Leben von Familien und zwei Kindertageseinrichtungen. Dabei wird die Flut als ein Ereignis zwischen Menschen, Tieren, Materialen, Umgebungen, Wasser und Schlamm gefasst, das von vielfältigen Grenzüberschreitungen bestimmt ist und zu Neukonfigurationen in der Kita führt. Methodisch erarbeitet und entfaltet sich der Beitrag als Bricolage (vgl. Odegard 2021), in dem postqualitativ „schimmernden“ Spuren gefolgt wird (Baise, Hamm 2020).

Ursula Stenger: Kollaborationen zwischen Kindern, Pädagog*innen, Igeln und Bäumen: Pädagogisch didaktische Formen des Lebens und Lerners in Kitas im Anthropozän

Der Beitrag diskutiert mit phänomenologisch und posthumanistisch informierten Herangehensweisen sechs mögliche didaktische Konstellationen/Formate, wie ökologisch-kulturelle Lebensformen im Kontext der Frühpädagogik kollaborativ zwischen Kindern und Fachkräften in der Begegnung mit der mehr-als-menschlichen Mitwelt entstehen können. Entlang von Ankerbeispielen aus Datenmaterial des BMBF-Verbundprojektes „RaumQualitäten“ werden diese unterschiedlichen Formen von zwischen Körpern, Tieren, Pflanzen und Orten konstituierten Naturbeziehungen erarbeitet. So rücken pädagogisch-didaktische Herangehensweisen, Haltungen und ethische Fragen zum Lernen in Kitas in den Fokus, die jeweilige Horizonte für mögliche Formen des (Zusammen-)Lebens im Anthropozän eröffnen (vgl. Dooren, Rose 2012).

Oktay Bilgi: Eine kritische Phänomenologie gesellschaftlicher Naturverhältnisse. Ortsgeschichten der Kind-Huhn-Begegnungen in der Kita.

Oktay Bilgi geht davon aus, dass aussichtsreiche Bemühungen um nachhaltige Entwicklungen grundlegende Veränderungen unserer überwiegend anthropozentrisch gelagerten ökonomischen, kulturellen und sozialen Beziehungen zur Natur bedürfen. Dazu werden gesellschaftliche Naturverhältnisse kritisch phänomenologisch betrachtet, um Formen sozial-ökologisch verträglichen, wertschätzend-sorgenden Zusammenlebens von menschlichen und nicht-menschlichen Wesen zu thematisieren. Eine Phänomenologie des Geschichtenerzählers führt er anhand von Ortsgeschichten von Kind-Huhn-Begegnungen in einer Kita aus und fragt, wie Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Welt erlebt und schätzen gelernt werden kann im artenübergreifenden Sterben nach Leben und Entfaltung, das gleichzeitig dazu beiträgt, eine gemeinsame Welt zu bewahren.