Behinderung als Differenzkategorie – Lebensläufe von Frauen und Männern mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen im biographischen und zeitgeschichtlichen Vergleich

Doktorandin: Anemari Karačić

 

Behinderung wird gemeinhin als objektiver Tatbestand verstanden, der nicht weiter problematisiert wird. Das Dissertationsvorhaben zum Thema ‚Behinderung als Differenzkategorie - Lebensläufe von Frauen und Männern mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen im biographischen und zeitgeschichtlichen Vergleich‘ möchte sich dem Thema Behinderung dagegen aus einer sozialkonstruktivistischen Perspektive nähern. In der Studie wird davon ausgegangen, dass der Lebenslauf, welcher durch gesellschaftliche Rahmenbedingungen geprägt ist, und dieSubjektivierungsweisen, die Menschen im Laufe ihres Lebens herausbilden, in Wechselwirkung stehen.

Gegenstand des Promotionsvorhabens ist es herauszuarbeiten, wie die Differenzkategorie dis/ability im Lebensverlauf als Subjektivierungsweise herausgebildet wird. Wie kommt es dazu, dass sich Menschen als (nicht-)behindert o.ä. verstehen und in welchem Zusammenhang steht dieses Selbstverständnis zu den jeweils wirkmächtigen gesellschaftlichen Diskursen und Dispositiven (vgl. Bührmann/Schneider 2010, Foucault 2013, Völter et al. 2009, Waldschmidt 2011)?

Dabei soll untersucht werden, inwieweit (nicht-)institutionalisierte Lebensläufe mit spezifischen Subjektvierungsweisen von dis/ability einhergehen und somit ein bestimmtes Selbstverständnis prägen, welches wiederum in Wechselwirkung mit spezifischen Praktiken des (un-)doing dis/ability steht (vgl. Hirschauer 2014).

In der Untersuchung werden primär biographische, teilnarrative Leitfadeninterviews (vgl. Helfferich 2011) als empirische Grundlage dienen. Neben Vergleichen auf der Ebene der Beeinträchtigungsformen werden Vergleiche im Hinblick auf Gender und Alter(skohorte) angestrebt. In den Blick genommen werden die Lebenserfahrungen behinderter Menschen, die in den Zeiträumen der 1950er, 1970er und 1990er Jahre geboren wurden. Die Aufarbeitung zeitgeschichtlicher Zusammenhänge sowie institutioneller und gesamtgesellschaftlicher Rahmenbedingungen bildet den Rahmen der Analyse.

 

Literatur:

Bührmann, A. D. & Schneider, W. (2010). Die Dispositivanalyse als Forschungsperspektive.  Begrifflich-konzeptionelle Überlegungen zur Analyse gouvernementaler Taktiken und Technologien. In J. Angermuller & S. v. Dyk (Hg.), Diskursanalyse meets Gouvernementalitätsforschung - Perspektiven auf das Verhältnis von Subjekt, Sprache, Macht und Wissen (261-288). Frankfurt a.M., New York.

Foucault, M. (2013). Archäologie des Wissens. Frankfurt (16. Aufl.).

Helfferich, C. (2011). Die Qualität qualitativer Daten. Manual zur Durchführung qualitativer Einzelinterviews. Wiesbaden (4. Aufl.).

Hirschauer, S. (2014). Un/doing Differences: Die Kontingenz sozialer Zugehörigkeiten. Zeitschrift für Soziologie, 43(3), 170-191.

Völter, B./Dausien, B./Lutz, H. / Rosenthal, G. (Hg.) (2009). Biographieforschung im Diskurs. Wiesbaden.

Waldschmidt, A. (2011). Symbolische Gewalt, Normalisierungsdispositiv und/oder Stigma? Soziologie der Behinderung im Anschluss an Goffman, Foucault und Bourdieu. Österreichische Zeitschrift für Soziologie, 36(4), 89-106.