Lebenspraktisches Miteinander innerhalb fortgeschrittener Industriegesellschaften

Forschungsprojekt

Leiter

Professoren W.-D. Bukow und R. Llaryora

MitarbeiterInnen

Claudia Nikodem
Erika Schulze
Erol Yildiz

Laufzeit

1. März 1996 – 31. März 1999

Finanzierung

Volkswagen-Stiftung

Mit folgendem Konzept haben wir das Projekt gestartet

Wir leben in einer multikulturellen Gesellschaft. Darauf haben sich die modernen Großstädte mehr oder weniger angemessen eingestellt. Werden die multikulturellen Gegebenheiten als Ärgernis, teils als Herausforderung betrachtet, so ist die Situation im städtischen Alltagsleben oft doch eine andere. Jedenfalls zeigt sich im lebenspraktischen Miteinander von Stadtbewohnern auch ein durchaus erfolgreiches Zusammenleben, ein selbstverständlicher Umgang miteinander - jenseits der in der Öffentlichkeit zunehmend beschworenen Unterschiede und Barrieren, Konflikte und Probleme. Unsere Absicht mit dem Forschungsprojekt ist es nun, solche Formen eines eher erfolgreichen Zusammenspiels zu untersuchen, und damit die in einer Stadt wie Köln vorhandenen und tagtäglich neu praktizierten Möglichkeiten eines Miteinanders nicht länger zu verdrängen. Wir vermuten, daß die Stadtbewohner hier wichtige interkulturelle Kompetenzen entwickelt haben, Kompetenzen, die zunehmend unabdingbar für die Einheimischen wie für die ethnischen Minderheiten werden. Konkret wird sich das Forschungsprojekt auf einen einzelnen Stadtteil Kölns - und zwar Ehrenfeld - konzentrieren. Dabei soll das lebenspraktische Miteinander auf drei Ebenen städtischen Lebens untersucht werden:

1. im Hinblick auf strukturelle Zusammenhänge,

Was die strukturellen Zusammenhänge betrifft, wird es in der Untersuchung zunächst einmal darum gehen, die Stadt Köln als Teil einer sich zunehmend ausdifferenzierenden Gesellschaft zu analysieren. Der Stadteil Ehrenfeld wird deshalb als ein Teilsystem in bezug auf die Stadt Köln, als ein Teilsystem bezüglich des Landes Nordrhein-Westfalen und bezüglich der Bundesrepublik Deutschland betrachtet. Konkret soll nun die gesamte Infrastruktur Ehrenfelds untersucht werden, angefangen vom Verkehrssystem, über die Versorgung mit Geschäften und Ärzten bis hin zu Handwerksbetrieben und Banken. Diese verschiedenen Systeme sollen dahingehend überprüft werden, welche Kriterien sie bieten, um an ihnen teilzunehmen. Die Frage ist, ob beispielsweise ein Handwerksbetrieb allen Ehrenfelder BürgerInnen die Möglichkeit bietet, den Betrieb bei Bedarf in Anspruch zu nehmen, oder ob es Kriterien gibt, die manche Personenkreise ausschließen.

2. im Kontext des persönlichen Lebensstils

Im Unterschied hierzu richtet sich der Blick in der zweiten Teiluntersuchung nicht auf die großen Zusammenhänge, sondern auf den einzelnen in seiner Lebenswelt. Mit Hilfe von Interviews und teilnehmenden Beobachtungen soll versucht werden, persönliche Lebensstile, die sich im Kontext der Lebenswelt entfalten, sichtbar zu machen. Wie leben einzelne, ganz unterschiedliche Menschen in Ehrenfeld? Welche Werte und Einstellungen vertreten sie? Wo oder wem fühlen sie sich zugehörig? In welchen Beziehungsnetzen und Gruppen sind sie beheimatet?... Da der einzelne sich immer auch in größere Zusammenhänge einordnet, soll so neben der Rekonstruktion individueller Lebensstile auch die Herausarbeitung der Zusammenhänge stehen, die diese einbetten.

3. in Richtung auf gemeinsame Initiativen und lokale Politik.

Im politischen Bereich zielt die Untersuchung unmittelbar auf eine Beschreibung und Interpretation der Alltagskonstellationen des fraglosen Miteinander bzw. Formen des Miteinanders. Hier gilt es, die im städtischen Alltag zwischen verschiedenen Gesellschaftsmitgliedern zur Errichtung einer lokalen Öffentlichkeit inszenierten Abstimmungs-, Verknüpfungs- und Verdichtungspraktiken zunächst einmal aufzuspüren. Dabei geht es um verständigungsorientierte Handlungen sowohl innerhalb von Situationen oder Gruppen als auch auf komplexerer, ja kommunaler Ebene allgemein. Wichtig ist dabei, ob die hier eingegrenzten verständigungsorientierten Praktiken tatsächlich die Möglichkeit enthalten, die persönliche Lebensgeschichte und die eigenen Wertorientierungen zurückzustellen und sich statt dessen auf übergreifende Verständigungs- und Abstimmungsprozesse einzulassen. Entscheidend ist dann, ob und wie es möglich wird, daß die im jeweiligen Kontext hervorgebrachten Meinungen, Behauptungen oder Vorstellungen Bestand haben. Hierbei ist wichtig, zu prüfen, inwieweit von bestimmten systemischen wie lebensweltlichen Zusammenhängen aus vielleicht über schon länger bestehende oder auch über gerade erst entstehende Vernetzungen zwischen den beteiligten Stadtteilbewohnern Verständigung und Zusammenarbeit erreicht wird. Im Grunde geht es also um soziale Prozesse alltagspolitischer Herkunft. Insoweit handelt es sich bei diesen Prozessen um metakommunikative Ereignisse, in denen konventionelle soziale Abläufe, Vernetzungen usw. auf neuer Ebene verknüpft werden.