Ehrenpromotion für Prof. Dr. Larry A. Hickman

Die Humanwissenschaftliche Fakultät vergab am 24.10.2007 einen Ehrendoktor (Dr. phil. h.c.) an Prof. Dr. Larry A. Hickman

 

Der Dekan der Humanwissenschaftlichen Fakultät, Prof. Dr. Thomas Kaul sagte folgende einleitenden Worte zur Begrüßung in der Sitzung der Weiteren Fakultät:

Mit Prof. Dr. Larry A. Hickman von der Southern Illinois University in Carbondale, USA, ehren wir einen bekannten und erfolgreichen Forscher aus dem Gebiet der Humanities, für die auch unsere Humanwissenschaftliche Fakultät steht. Dabei gibt es zugleich eine innere Verbundenheit über das Dewey-Center, das Kollege Hickman in den USA leitet, und das Dewey-Center an unserer Fakultät, das sich den internationalen Pragmatismus- und Konstruktivismusforschungen widmet. Es erfüllt uns mit Freude und Stolz, mit Larry Hickman jemanden mit einer ersten Ehrenpromotion unserer neuen Fakultät zu ehren, der durch sein Werk in hoher Qualität für die Breite der human sciences steht. In einer umfassenden Reflexion auf ihre kulturellen Voraussetzungen und möglichen Anwendungen in lebens­weltlicher und dabei auch pädagogischer, psychologischer und künstlerischer Praxis hat er Arbeiten vorgelegt, die eine hohe internationale Anerkennung gefunden haben. Dabei steht der Pragmatismus und insbesondere das Werk von John Dewey im Zentrum der wissen­schaftlichen Arbeit von Larry Hickman. Die Renaissance, die John Deweys Pragmatismus im englischen Sprachraum in den letzten 20 Jahren erfahren hat, ist auch der Herausgabe der Schriften und der Korrespondenzen zu verdanken, für die Larry Hickmans Arbeit eine wesentliche Voraussetzung war.

Wir wollen diese Ehrenpromotion in drei Schritten vornehmen. Zunächst werden die Kollegen Reich und Roth eine kurze Laudatio für den Geehrten halten. Dann wird Larry Hickman einen Vortrag über John Deweys soziale Vision halten. Wir werden mit der feierlichen Verleihung der Urkunde schließen. Und im Anschluss sind Sie herzlich auch noch zu einem kurzen Sekt-Empfang ins Dekanat eingeladen, so dass Sie Gelegenheit haben, mit dem Geehrten auch persönlich einige Worte wechseln zu können.

 

Prof. Dr. Hans-Joachim Roth (Studiendekan)
Prof. Dr. Kersten Reich (Direktor des Kölner Dewey-Centers)

Roth: Prof. Hickman, den wir heute ehren, ist im Süden von Texas geboren und studierte zunächst auch in Texas. Er wurde 1964 Bachelor of Arts und promovierte 1971 in Philosophie an der University of Texas in Austin. Von der Humboldt Stiftung nahm er ein zweijähriges Stipendium in Nürnberg-Erlangen wahr, so dass Kollege Hickman deutsch versteht und sich einverstanden erklärt hat, dass wir ihn hier auf deutsch begrüßen. Aber selbstverständlich wird sein Vortrag gleich auf Englisch erfolgen.

Reich: Ich habe Larry auch schon während deutscher Vorträge beobachten können, und bemerkte, dass er sehr viel mehr deutsch versteht, als er offen zugeben mag. Aber dies entspricht seiner Wesensart: Wenn er sich wissenschaftlich äußert, dann ist Larry sehr präzise und vermeidet alle Unwägbarkeiten einer ungefähren Beschreibung oder einer ungenauen Benutzung von Terminologien. Und dies steht in der Folge von Deweys Werk, dessen Übersetzungen so viele Missverständnisse ausgelöst haben, und das eine sehr präzise Sprache benötigt.Deshalb arbeiten wir im Kölner Dewey Center auch auf englisch, denn wir wissen, wie sehr Deweys Werk durch Übersetzungen gelitten hat. So hat man, um nur ein Beispiel zu nennen, in den 30er Jahren den zentralen Begriff communication ins Deutsche mit geselliger Verkehr übersetzt. Oder den Begriff imagination dadurch entstellt, dass er in „Kunst als Erfahrung" entweder mit „innere Anschauung", „Fantasie" oder „Imagination" übersetzt wurde. Besondere Schwierigkeiten hatten die deutschen Übersetzer vor allem mit der liberalen politischen Haltung Deweys, für die sie oft kein Verständnis aus ihren Kontexten aufbringen konnten. Auf einer gemeinsamen Tag mit Larry und Ken Stikkers haben wir herausgefunden, dass auch und gerade Max Scheler, der an unserer Universität Professor war, durch ungünstige Übersetzungen zu einer fehlerhaften Rezeption des Pragmatismus bis hin in die Kritische Theorie beigetragen hat. Man verwechselt allzu leicht das Pragmatistische mit dem Pragmatischen, d.h. mit einer Nützlichkeitsvorstellung, die der Kulturtheorie Deweys fremd ist und als zu oberflächlich auch im Pragmatismus abgelehnt wird.

Roth: Larrys Arbeiten sind das genaue Gegenteil von Oberflächlichkeit. Nach seinem Deutschlandaufenthalt forschte und lehrte er als Professor für Philosophie an der Texas A&M University, bis er 1993 aus einer Vielzahl von Bewerbern zum Direktor des Dewey-Centers in Carbondale und zum Professor für Philosophie mit gleichzeitiger „tenure" an der Southern Illinois University berufen wurde. Dies ist die Universität, die den größten Schwerpunkt und die meisten Professuren in der Philosophie des Pragmatismus in den USA hat. Larrys Tätigkeiten in Forschung, Lehre und Teilnahme an wissenschaftlichen Gesellschaften sind beeindruckend. Nur ein kurzer Einblick in einige Eckdaten sollen genügen: Er hat vier Monografien herausgegeben, von denen drei als „Outstanding Academic Title" von Choice geehrt wurden. Mehr als 100 Aufsätze, Kurzartikel in Lexika und Rezensionen kommen hinzu. Bisher wurden Arbeiten von ihm in sechs Sprachen übersetzt, darunter auch ins Deutsche. Er hat auch bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter z.B. eine Ehrenpromotion der Sako Universität aus Japan, er wurde auch als „Outstanding Scholar" von seiner eigenen Universität geehrt. In diesen Ehrungen zeigt sich, dass Larry nicht nur ein herausragender Forscher, sondern auch ein guter Lehrer ist, der erfolgreich Studierende unterrichtet.

Reich: Inhaltlich hat Larry eine Arbeit geleistet, die auch weite Verbreitung gefunden hat und breit rezipiert wird. Er ist durch seine Arbeiten über John Dewey und den Pragmatismus einer breiten Öffentlichkeit weltweit bekannt geworden. Er gilt - nicht nur durch seine Herausgabe der Werke Deweys in elektronischer Edition, der Erstherausgabe der Korrespon­denzen, die völlig neue Forschungshorizonte eröffnen, und wichtiger Sammelwerke, sondern auch durch seine eigenständigen Interpretationen als ein herausragender Kenner des Pragmatismus und speziell John Deweys. Ich will dies zunächst mit einer Nebensächlichkeit illustrieren: Larry ist dafür bekannt, dass man ihn jederzeit anrufen kann, wenn einem ein Zitat Deweys entfallen ist. Dann erhältst du nicht nur das Zitat mit Quellenangabe, sondern auch noch eine Interpretation auf den Kontext und Hinweise zu vorhandenen Briefen, die gerade erst erschlossen wurden. Danke Larry für deine Hilfe, die ich auch schon beanspruchen durfte. Damit bist du allerdings auch auf jeder Tagung gefürchtet, denn bei Vorträgen auch ausgewiesener Experten muss ein jeder befürchten, doch eine Stelle übersehen zu haben und darauf freundlich hingewiesen zu werden. So begegnet man dir mit Ehrfurcht. Auf einer gemeinsamen Welt-Dewey-Konferenz in Italien sagte dieses Jahr jemand sogar zu mir: „Hast du eigentlich auch beobachtet, dass Larry über die Jahre nicht nur das Werk Deweys besser kennt als alle anderen, sondern ihm auch immer ähnlicher sieht?" In der Tat, Larry, deine äußere Ähnlichkeit mit Bildern von Dewey ist verblüffend und erzeugt manche unsichere Bemerkung im Hintergrund, ob es nicht noch eine tiefere Verwandtschaft zwischen euch geben könnte.

Roth: Wir könnten hier noch viele Tätigkeiten aufzählen, in denen Larry als gewählter Präsident von verschiedenen berühmten wissenschaftlichen Gesellschaften gewirkt hat, aber einer dieser Aspekte ist für uns aus Kölner Sicht besonders wichtig. Als Leiter des amerikanischen Dewey-Centers hat Larry eine beispielhafte internationale Entwicklung vorangetrieben, die der internationalen Erforschung dieses Klassikers dient. Und hier unterstützt er auch deutsche Forschergruppen, die es insbesondere in der politischen Theorie und den Erziehungswissenschaft gibt, um ihre Arbeit zu fördern. Ohne seine Unterstützung hätten wir hier in Köln unser Dewey-Center nicht aufbauen können, und wir sehen es als eine besondere Ehrung an, dass Larry in Kenntnis der deutschen Forschungen gerade uns so großzügig unterstützt hat.

Reich: Hier regt sich zugleich ein schlechtes Gewissen aus deutscher Sicht. Durch eine etwas engstirnige, wenn nicht provinzielle Haltung haben wir in der deutschen Erziehungs­wissenschaft uns zwar um einheimische Klassiker gekümmert, aber nur sehr wenig auf internationale Diskurse geachtet. Dies hatte weit reichende Folgen bis hin in die Wahl der Schulorganisation hinein, denn nach 1945 gab es viele Stimmen bei den Alliierten, das weltweit bewährte eingliedrige Schulsystem, das auch auf Arbeiten Deweys gründete, auch in Deutschland zu etablieren. Aber solche Ideen oder eine Öffnung hin auf Kulturtheorien wie die von Dewey hatte weder im Westen wie im Osten Deutschlands eine Chance. Im Grunde war er für den Westen zu sehr gemeinschaftsorientiert, demokratisch an der Basis und an liberalen Werten ausgerichtet, für den Osten aber zu individualistisch und kritisch gegen Stalin, so dass sein Werk dem Zeitgeist entgegen stand. Im englischen Sprachraum und heute weit darüber hinaus galt und gilt Dewey jedoch als der Klassiker der Pädagogik des 20. Jahrhunderts, wobei er Kulturtheorie, Psycho­logie und umfassende anthropologische und erkenntniskritische Fragen miteinander kombinierte. Wir jedoch blicken im deutschen Sprachraum nicht nur auf äußerst fragwürdige Übersetzungen zurück, sondern müssen zugleich auch noch zugeben, dass wir die inter­nationale Rezeption und Entwicklung in diesem Feld bisher zu sehr vernachlässigt haben. Subtil reichen solche unterschiedlichen Diskursebenen bis hin in die Interpretationen unseres Leistungsstandes im Lehren und Lernen, denn jene Kritiker z.B. des deutschen Schulsystems im Rahmen der OECD, die es nicht verstehen können, dass in diesem reichen Land die Schere zwischen sozialem Hintergrund und Bildungserfolg größer als in allen anderen Industrieländern ist, üben ihre Kritik immer auch aus einer Perspektive heraus, die durch einen Diskurs geprägt ist, der Dewey und Kenntnisse aus diesem Diskurs maßgeblich voraussetzt.

Roth: Larry ist allerdings nicht bloß ein Verwalter eines bestehenden Diskurses von und über Dewey, sondern ein sehr eigenständiger Interpret im pluralen Konzert des Pragmatismus oder Neopragmatismus. Dabei bezieht er sich immer wieder vor allem auf die experimentelle Methode bei Dewey und hat diese für die Technosciences beispielhaft analysiert. Hier geht es um die wesentliche Frage in der Postmoderne, wie viel Beliebigkeit oder genauer Relativität der Erkenntnis die Wissenschaften zulassen können, wenn sie noch glaubwürdig in Wahrheitsfragen bleiben wollen. Für ihn bildet die gerechtfertigte Behauptbarkeit, die uns nach Dewey zu wahren Aussagen als zeitlich zwar begrenzten, aber doch bis zur Widerlegung annehmbaren Aussagen über Ereignisse zwingt, einen Schlüssel zum Erfolg der Wissen­schaften.

Reich: In den USA ist gerade in den Erziehungswissenschaften ein solcher Kampf gegen einen übertriebenen Relativismus angezeigt. Wenn Kommunen durch Beschluss Schulen dazu zwingen, die Evolutionstheorie Darwins abzusetzen und statt dessen Gott als Designer zu unterrichten, dann ist eine solche Relativierung in der Tat mit den Wissenschaften nicht vereinbar, sondern allein eine Frage des Glaubens. Aber es ist auf der anderen Seite gar nicht so einfach im Nach- und Nebeneinander der vielen Theorien und Praktiken die Relativierung außer in sehr engen technischen und konventionellen Fragen effektiv zu begrenzen, und hier scheint Larry optimistischer zu sein als manch andere Pragmatisten, wie z.B. Richard Rorty. Genau dies aber ist die Stärke des pragmatistischen Ansatzes, der Pluralität auch innerhalb eines Diskurses nicht als Ausnahme, sondern als Selbstverständlichkeit nimmt. Und dafür steht gerade auch und insbesondere das Werk von Larry Hickman, so wie wir es auf zahlreichen gemeinsamen Tagungen und in gemeinsamen Publikationen erfahren konnten: Als ein gemeinsamer Diskurs, der sein Entwicklungspotenzial auch aus den Unterscheidungen und Unterschiedlichkeiten gewinnt, der Unterschiede als Entwicklungschance und nie als persönlichen Angriff sieht. Eine solche Kultur der Kooperation, wie wir sie in der gemeinsamen Arbeit mit unseren amerikanischen, europäischen und asiatischen Kolleginnen und Kollegen z.B. in den Pragmatisten-Konferenzen oder in der Zusammenarbeit mit dir, Larry, erfahren, regt uns auch hier in Köln an, eine wissenschaftlich plurale, streit- und diskursbereite Gemeinschaft zu entwickeln, in der die Achtung vor den Argumenten des Anderen nie verloren geht.

Roth: Nun aber ist es an der Zeit, obwohl noch Vieles gesagt werden könnte, Larry Hickman die Gelegenheit zu geben, vor unserer Fakultät einen Vortrag zu halten, der uns in jene Vision einer möglichen demokratischen Zukunft einführt, die John Dewey orientierend vorschwebte.

 

Prof. Dr. Larry A. Hickman und Dekan Prof. Dr. Kaul bei der Übergabe der Urkunde

Der Dekan der Humanwissenschaftlichen Fakultät, Prof. Dr. Thomas Kaul (re.) überreicht Prof. Dr. Larry A. Hickman (li) die Urkunde

 

Der neue Ehrendoktor Prof. Dr. Larry Hickman mit Urkunde

Prof. Dr. Larry A. Hickman nach der Verleihung