Else Yeo
Ergänzungen zu Walter Wioras Die
rheinisch-bergischen Melodien bei Zuccalmaglio und Brahms
Auf
Seite 28 von Walter Wioras 1953 erschienenem Buch Die rheinisch-bergischen
Melodien bei Zuccalmaglio und Brahms ist zu lesen: „Sechs Bände mit 1351
handschriftlichen Aufzeichnungen europäischer, darunter 245 deutscher
Volkslieder aus dem Nachlaß Z[uccalmaglios]s“ in der Wissenschaftlichen
Bibliothek (früher: Preußische Staatsbibliothek) Berlin. Wie sich Verf. im Jahr
1991 an Ort und Stelle überzeugen konnte, liegen in der genannten Berliner
Bibliothek aber nur 851 Lieder vor, die Wiora in seiner Aufstellung auf den
Seiten 35 bis 108 mit Quellenangaben zur Verfügung hatte. Somit ist die
Schlussfolgerung, dass bei 1351 Liedern 245 deutsch sind, unrichtig. Die
Sammlung in Berlin beginnt erst mit der Nummer 318, was darauf hinweist, dass
nicht alle Nummern vorhanden sind. In der Universitätsbibliothek Greifswald
liegt ein weiterer Teil des Manuskripts, der mit den in Berlin fehlenden
Nummern 1–317 beginnt sowie andere Lücken ausgleicht, so dass nur insgesamt 86
Lieder nicht aufzuspüren sind. Von den tatsächlich vorhandenen Liedern –
insgesamt 1272 – sind 361 deutschen Ursprungs.
Es
ist erstaunlich, dass sich so viele Lieder aus dem handschriftlichen Nachlass
von Anton Wilhelm von Zuccalmaglio (1803–1869) überhaupt erhalten haben. Der
Nachlass ging zunächst an seinen Bruder Vincenz (1806–1876), dann zu seinem
Neffen Hermann Braun und dessen Sohn Adolf. Diese gaben einige Lieder an das
Sängermuseum in Nürnberg weiter, wo sie im Krieg ein Opfer der Flammen wurden,
andere kamen nach Schloss Burg, wo sie im Katalog von 1911 auch aufgeführt
sind, und ab 1939 finden sich die Dokumente aus Schloss Burg im Museum des
Oberbergischen Landes Schloss Homburg.
Max
Friedlaender teilt in seiner Schrift Zuccalmaglio und das Volkslied
(1918) in einer Fußnote auf Seite 12 mit, dass der Nachlass von Eduard
Baumstark (1807–1889), der entscheidend an der Sammlung mit gearbeitet hatte,
in der Universitätsbibliothek Greifswald aufbewahrt werde. Friedlaender war mit
der Familie Braun bekannt und trug möglicherweise dafür Sorge, dass das
Liedermanuskript Zuccalmaglios, nachdem er es für seine Arbeit ausgewertet
hatte, in Berlin bleiben konnte. Auch kann er von Braun erfahren haben, dass Baumstark,
als er 1869 seinen einstigen Studienfreund Vincenz in Grevenbroich besuchte,
einen Teil des Gesamtmanuskripts erhielt.
Wenn man bedenkt, dass Wiora bei allen Liedern nachweisen konnte, dass sie auch in anderen Gegenden bekannt sind oder aus bereits vorhandenen Liederbüchern übernommen wurden, so ist es verwunderlich, dass er in seinem Buchtitel von rheinisch-bergischen Melodien spricht. Dass die Lieder im Bergischen gesungen wurden, besagt ja nicht, dass sie auch im Bergischen entstanden sein müssen. Vielmehr entstanden im Bergischen nur die Texte von Zuccalmaglio auf bekannte Melodien. Aber kann man sie deshalb „bergisch“ nennen?
Auch bei den Liedern, die Brahms übernahm, wies Wiora nach, dass dreizehn davon aus Nicolais Ein kleyner feyner Almanach (1777/1778), einige aus der Sammlung Haxthausen stammten und andere Kompositionen von Reichardt waren.
Es
folgt nun eine Tabelle der Lieder aus dem Greifswalder Teil des Manuskripts,
die in Kretzschmer-Zuccalmaglios Deutsche Volkslieder mit ihren Originalweisen
Aufnahme fanden, bei denen Wiora statt der Quellenangaben des Manuskripts, das
ihm nicht zur Verfügung stand, Liederbücher nennt, in denen das entsprechende
Lied zu finden ist.
Abkürzungen in der Tabelle:
EB Erk-Böhme, Deutscher Liederhort, 1893/94
DV Deutsche Volkslieder mit ihren Originalweisen
Die in Klammer gesetzten Quellenangaben beziehen sich auf DV, falls sie von denen im Manuskript abweichen.
Else Yeo: Eduard Baumstark und die Brüder von Zuccalmaglio. Drei Volksliedsammler. Eingel. u. hg. von Christoph Dohr. Köln: Dohr, 1993.
Nr. |
Liedanfang |
Quelle |
DV |
Wiora |
||||
01 |
Ull Mann
wull riden |
Mark
Brandenburg |
II/375 |
Erk 1/2,17 |
||||
05 |
Mei Schatz
isch e Reiter, e Reiter mues seyn |
Schwäbisch
(Bayern) |
I/267 |
Liederbuch
deutscher Künstler 246 |
||||
16 |
Ich fuhr
wohl übern See, weit, weit |
Bergisch |
I/165 |
EB 1736 |
||||
19 |
Es fiel
ein Reif in der Frühlingsnacht |
Bergisch
(Rheinländisch) |
I/82 |
EB 588 |
||||
28 |
Es sah
eine Linde ins tiefe Thal |
Altdeutsch
(Deutsch) |
I/39 |
EB 67 c Souterliedeken
1540 |
||||
41 |
Auf, gebet
und das Pfingst-Ei |
Bergisch
(Bezieht sich auf einen Vorfall im Jahre 1181) |
I/112 |
EB 1252 |
||||
56 |
Wenn ich
ein Vöglein wär |
Schweizerisch
(Schwäbisch) |
I/149 |
Liederbuch
deutscher Künstler 161 |
||||
63 |
Es ging
ein Jäger jagen |
Bergisch |
I/238 |
EB 1435 Gassenhawerlein
1533 |
||||
66 |
Es waren
drey Gesellen |
Pfälzisch
(aus Pommern) |
I/175 |
EB 1305 nach
Kommersbüchern |
||||
68 |
Wer so ein
faules Mädchen hat |
Kuhreigen |
II/290 |
EB 1556 |
||||
70 |
Es waren
zwei Königskinder[1] |
Bergisch |
I/24 |
EB 70 Souterlieder Ps. 8 |
||||
77 |
Es wollte
ein Mädchen die Lämmlein hüten |
Bergisch |
I/17 |
EB 126 Mel. vom
Rhein |
||||
81 |
Auf meiner
Alp da leb’ ich frei |
Schweiz |
II/291 |
Schweizer
Küherreigen Nr. 18 |
||||
82 |
Haidl bubaidl in guater Rua |
Österreichisch |
II/359 |
Ziska-Sch.
Nr. 1 |
||||
86 |
Vom Wald
bin i fiara |
Steirisch |
II/235 |
Ziska-Sch.
24 |
||||
89 |
Anne Mari
wend di |
Österreich
|
II/343 |
Ziska-Sch.
59 |
||||
98 |
Es blies ein Jäger wohl in sein Horn |
Bergisch |
I/233 |
EB 740 |
||||
106 |
I bin a jungs Biabl |
Steirisch |
II/269 |
Ziska-Sch.
55 |
||||
123 |
Wie kumm
ich dann de Pohz eren? |
Köllnisch |
II/158 |
EB 460 b |
||||
131 |
Duart oben
auf der Alm |
Österreich |
II/296 |
Ziska-Sch.
33 |
||||
134 |
Jetzt geh
ich ans Brünnelein, trink aber nicht |
Alt-Badenisch
|
I/299 |
EB a-d Dreieichenhain
1838, Wetterau, Schlesien |
||||
136 |
Es ritt
ein Reiter wohlgemuth wohl in der Morgenstunde |
Schwäbisch
(Deutsch) |
I/178 |
Nicolai I
48 |
||||
140 |
Es isch
net lang dass gregnet hat |
Schweiz |
II/254 |
EB 531 a aus F.
Reichardts Liederspiel „Lieb und Treue“ |
||||
142 |
Wo i lieg,
wo i steh |
Österreich |
II/241 |
Ziska-Sch.
41 |
||||
156 |
Ich stand
auf hohem Berge |
Bergisch (Nord- und
Süddeutschland) |
I/61 |
EB 89 b, alte
schwäbische Melodie |
||||
160 |
Es kann
uns nichts Schönres erfreuen |
Bergisch (Alt-Deutsch) |
I/108 |
EB 48 d |
||||
168 |
Unterm
Brustlatz brennen Schmerzen |
Pfälzisch (Schwaben) |
I/253 |
EB 637 a vor 1840,
schwäbisch vom Neckar 1827 |
||||
172 |
Verstohlen
geht der Mond auf |
Bergisch
(Niederrhein) |
I/36 |
EB 441 Rheinisches
Flachsarbeitslied |
||||
174 |
Zu
Frankfurt da steht ein Wirtshaus |
Bergisch (Frankfurter
Sage vom Niederrhein) |
II/2 |
Böhme 11 b |
||||
177 |
Es stand
die Herberg |
Bergisch |
I/107 |
Flugblatt um 1780, Nachlass Erk 28, 900 |
||||
180 |
Es kommen
drey Herren aus Himmelreich |
Bergisch (vom
Niederrhein) |
II/313 |
EB 1903 aus
Siegburg bei Bonn |
||||
191 |
Die Meid,
sie walet einen Buhlen werth |
Norddeutsch |
I/114 |
EB 859 Württembg. Schlesien |
||||
194 |
Aus
England kam ein Bettler heraus |
Norddeutsch |
I/168 |
Volksmund
Lothringen Soldatenlied |
||||
196 |
Es ging
ein Mädchen grasen |
Bergisch |
I/237 |
EB 71 b |
||||
197 |
Guten
Abend, liebes Kind |
Norddeutsch (vom
Niederrhein) |
II/153 |
Erk 1/4 63 Meurs
Niederrhein, Polen, Siebenbürgen |
||||
199 |
Stolz
Heinrich, der will freien gehn |
Norddeutsch |
I/106 |
EB 40 a |
||||
200 |
Ich bin
ein lustiger Jägersknecht |
Bergisch |
I/246 |
Erk II/2,
5 |
||||
201 |
Das Lieben
macht groß Freud’ |
Pfälzisch
(Lotharingen) |
II/160 |
EB 558 b |
||||
202 |
Der
Kuckuck auf dem Birnbaum saß |
Westphälisch |
I/140 |
Haxthausen
Sammlung |
||||
203 |
Gestern
Abend bey der stillen Ruh |
Bergisch
(Norddeutsch) |
II/149 |
EB 522 |
||||
205 |
Jetzt
reisen wir Brüder wohl alle zugleich |
Landsknechtslied
(Handwerkslied) |
I/247 |
EB 1595 Kretschmer
I/247 |
||||
206 |
Sobald der
Jäger geht auf die Jagd |
Bergisch (Vom
Rheine) |
II/228 |
EB 169
Hessen Darmstadt, Baden, Schlesien |
||||
207 |
Ihren
Liebsten zu erwarten |
Pfälzisch |
I/170 |
Böhme 149 |
||||
208 |
In den
Garten wollen wir gehen |
Schwäbisch
(Lotharingen) |
II/161 |
EB 722 a nach F.
Reichardts Liederspiel „Lieb und Treue“ 1800 |
||||
210 |
Ach in
Tauern muß ich leben |
Bergisch (Vom
Rheine) |
II/148 |
EB 722 a aus dem
Siebengebirge |
||||
211 |
Ein Jäger
aus Churpfalz |
Pfälzisch (Schwaben,
Rheinland) |
I/179 |
EB 1454
aus d. Provinz Starkenburg 19. Jahrhundert |
||||
212 |
Ach armes
Herz, verzage nicht |
Norddeutsch (aus dem
Elsaß u. d. Schweiz) |
II/162 |
EB 554
Hessen-Darmstadt |
||||
213 |
Jung
Hänschen saß am hohen Thor |
Bergisch |
I/90 |
Erk I/1, 41 Gut
Heinichen |
||||
214 |
Frühmorgens
der Pfalzgraf zum Waidwerk reit |
– (Bergisch) |
I/97 |
Erk II/167 |
||||
216 |
Es fliegen
drey Schwalben über den Rhein |
Bergisch |
I/98 |
EB 880 |
||||
218 |
Auf dieser
Welt hab ich kein Freud |
Norddeutsch |
I/250 |
EB 569 |
||||
219 |
Die Frau
die wollt’ zum Reigen gehn |
Bergisch
(Norddeutsch) |
I/166 |
EB 907/9 EB 1860 |
||||
220 |
Ich hab
mein Feinsliebchen so lange nicht gesehn |
Norddeutsch
(Deutsch) |
I/301 |
Büsching-Hagen
53 |
||||
221 |
Kein
schöner Freud’ auf Erden ist |
Deutsch (Vom Mittelrhein) |
II/249 |
EB 921a Frankfurt,
Magdeburg, Thüringen |
||||
223 |
Es wohnt
ein Bauer im Odenwald |
Pfälzisch (aus
Franken) |
II/64 |
Ditfurth II 68 Schünemann
287 |
||||
224 |
Es war ein
Mädchen von 18 Jahr |
Bergisch |
I/105 |
EB 211 e Westfalen,
Paderborn, Frankfurt/M, Nordsee, Budjadinger Land |
||||
225 |
Es ritten
drei Reiter zum Thore hinaus |
Deutsch |
I/33 |
EB 756 Anfang 18.
Jahrhundert |
||||
226 |
Die Sonn’
sie scheint nicht |
Hardtgebirge (Aus dem
Westrich) |
I/228 |
EB 1025 Alter Tanz
aus Westrich Rheinpfalz 1828 |
||||
228 |
Es fuhren
drey König aus Morgenland |
Bergisch (Vom
Niederrhein) |
II/99 |
EB 960 a Melodie uralt Kessenich Poppelsdorf |
||||
229 |
Spinnt ihr
Mädchen |
– (Altes
Lied) |
II/292 |
EB 1532,
977 |
||||
230 |
Die
Schneider hieltens Grindelfest |
Wetterau |
II/315 |
EB 1635 |
||||
233 |
Es hatte
ein Bauer ein schönes Weib |
Deutsch
(Rheinlande) |
II/82 |
EB 150 b Volksmelodie
18./19. Jh. |
||||
234 |
Hab unter
einem Baum |
Westrich (Vom
Mittelrhein) |
II/61 |
EB 683 Niedersächs.
Bauernlied |
||||
235 |
Es wollt
ein Mädel früh aufstehn |
– (Thüringisch) |
I/35 |
EB 121 Brombeerlied
Oberösterreich 1819, Pommern 1860, Schleswig 1891 |
||||
236 |
Es war
eine schöne Jüdin |
Hardtgebirg |
I/70 |
EB 1254 Haxthausen-Sammlung |
||||
237 |
Es war
einmal ein junger Knab[2] |
Wasgau |
I/17 |
EB 83 a aus Meran Tyrol |
||||
239 |
Kennt ihr
nicht den Herrn von Falkenstein? |
Wetterau
(Rheinländisch) |
I/142 |
EB 222 Kommerslied,
Karlemannslied 9./10. Jh. „Einen kuning“ |
||||
240 |
Es wollt
ein Jäger jagen |
Pfälzisch |
I/220 |
EB 1438 alte
Melodie M. Frank 1611 |
||||
242 |
Es zog ein
Knab ins Niederland |
Bergisch |
I/100 |
Pink I 53 Montanus:
sehr altes Volkslied in Paffrath aufgeschrieben |
||||
243 |
Es war ein
stolzes Müllerweib |
Wetterauwald |
I/172 |
EB 156 Ich weiß
eine stolze Müllerin; Elsaß von 1430, Nürnberg 1534 |
||||
914 |
Joseph,
lieber Joseph, was hast du gethan? |
Norddeutschland
(Schwaben) |
I/52 |
Reichardts
Mus. Zeitung 1806, Nr. 10 |
||||
1314 |
Auf,
reichet uns das Pfingst-Ei! |
Rheinisch-Bergisch
(Uraltes Lied vom Rhein) |
|
vergl.
Greifswald 41 |
||||
© Else Yeo
[1] Zu diesem Lied heißt es:
„Aus dem Volksmunde. In des Knaben Wunderhorn II 252 sind 13 Strophen. Da ich
aber davon manche für unächt und gar zu unbedeutend fand, so gab ich blos diese
5, welche nach meiner Meinung ein sehr schönes Ganze bilden. Als Probe des
Niederdeutschen, aber in offenbar verdorbener Mundart, gebe ich zur anderen
Melodie, die wir noch gefunden haben, eine Strophe des Urtextes, wovon das
Wunderhorn die Übersetzung enthält“ (E. Baumstark / A. W. von Zuccalmaglio:
Auserlesene aechte Volksgesänge der verschiedensten Völker mit Urtexten u. dt.
Übers.. Darmstadt 1835).
[2] Variante des bekannten
Liedes „Es war einmal ein treuer Husar“