VOLKSMUSIK IM 20. JAHRHUNDERT

(Seminar Probst-Effah, Sommersemester 2009)

(Das Skript basiert auf einem Teil der im Folgenden genannten Literatur und auf Beiträgen im Rahmen des Seminars.)

Inhalt:

Johann Gottfried Herder

Achim von Arnim/ Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn

Die Sammlungen von Zuccalmaglio und Erk/ Böhme

Das 20. Jahrhundert: Tendenzen der Volkslied-/Volksmusikforschung

Wandervogel und Jugendbewegung bis 1933

Folkbewegung

Folk, Chanson und Liedermacher in der DDR

Volkstümliche Musik

„Neue Volksmusik“

 

Johann Gottfried Herder

Literatur (Auswahl)

Boock, Barbara (2003): Vortrag über Johann Gottfried Herder, gehalten aus Anlass seines 200. Todestages. (ungedruckt.)

Brednich, Rolf W./ Röhrich, Lutz/ Suppan, Wolfgang (Hg.) (1973/ 1975): Handbuch des Volksliedes. 2 Bände. München.

Bröcker, Marianne: Volksmusik. In: Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG). 2., neubearb. Ausgabe. Sachteil Band 9. Sp. 1733–1761.

Johann Gottfried Herder. In: Wikipedia.

Herder, Johann Gottfried (o. J.): Stimmen der Völker in Liedern. Hg. v. Christel Käschel. Wiesbaden.

Käschel, Christel (o. J.): Nachwort zu Herder, Johann Gottfried: Stimmen der Völker in Liedern.

Klusen, Ernst (1969): Volkslied. Fund und Erfindung. Köln.

Röslein auf der Heiden. Goethe und das Volkslied. Eine Koproduktion des Deutschen Volksliedarchivs Freiburg und der Staatlichen Hochschule für Musik Freiburg. CD u. Booklet.

Stockmann, Doris (1992): Volks- und Popularmusik in Europa. Laaber. Kapitel I: Wissen­schaftsgeschichte und Forschungsmethoden. S. 1 ff.. Laaber. (= Neues Handbuch der Musikwissenschaft. Hg. von Carl Dahlhaus. Bd. 12.)

 

Herder: biographische Daten

Geboren 1744 in Mohrungen (einem Ort, der heute zu Polen gehört); gestorben 1803 in Weimar

Herder ging 1762 nach Königsberg, begann dort eine Ausbildung als Chirurg, erkannte jedoch bald, dass er dazu nicht geeignet war, und studierte dann Theologie und Philosophie. Er wurde von Immanuel Kant gefördert, besuchte dessen Vorlesungen und hatte auch Kontakt zu dem Philosophen Johann Georg Hamann, der Herder mit Shakespeares Dramen bekannt machte und seine Begeisterung für die Ossian-Gesänge und die altenglischen Balladen der Percy-Sammlung weckte.

Von 1764 bis 1769 war Herder als Aushilfslehrer in Riga tätig, dann auch als Prediger.

Seit 1769 unternahm er viele Reisen. Eine davon führte ihn nach Straßburg, wo er 1770/71 dem fünf Jahre jüngeren Goethe begegnete und dessen Interesse an Volksliedern und der Dichtung von Shakespeare weckte. In seiner Autobiographie Dichtung und Wahrheit (erschienen zwischen 1811–1833) schildert Goethe (im zweiten Teil, zehntes Buch) die erste Begegnung mit Herder. Das langjährige Verhältnis zwischen ihnen war Schwankungen unterworfen; später – in der Weimarer Zeit – zerbrach die Beziehung.

1771 trat Herder eine Stellung als Hofprediger an der lutherischen Stadtkirche in Bückeburg an.

1776 wurde er durch Goethes Vermittlung Generalsuperintendent, Mitglied des Oberkonsistoriums und erster Prediger an der Stadtkirche zu Weimar.

1788–1789 Reise nach Italien

Schriften Herders

Abhandlung über den Ursprung der Sprache (1772): eine von Herders Schriften zur Geschichte der Sprache und Dichtung der Völker, einem Thema, das ihn auch zur Beschäftigung mit Volksliedern veranlasste.

Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. 4. Bände 1784–1791.

Herder und das Volkslied

Herder beschäftigte sich auch intensiv mit der Volksdichtung verschiedener Völker und Sprachen, sammelte sie und übertrug sie ins Deutsche. Diese Dichtungen waren nach seiner Auffassung dazu geeignet, Ursprung und Entwicklung, Mentalität und Charakter der Völker und Nationen der Erde zu erforschen. Herder war davon überzeugt, dass alle Völker die Gabe und Fähigkeit zu Gesang und Poesie besäßen.

In Anlehnung an die englische Bezeichnung popular song prägte er den Begriff Volkslied. Er verwendete ihn erstmals in den siebziger Jahren – laut dem Artikel in Wikipedia 1773, laut MGG-Artikel bereits 1771.

Unter den Begriff Volkslieder subsumierte Herder sehr Heterogenes: Texte aus oraler und poetischer Überlieferung und dabei keinesfalls nur Volkslieder in unserem Verständnis. Entscheidend waren für ihn nicht Gattungsmerkmale oder etwa die anonyme Autorschaft, „sondern der innere Ton, Natur und Simplizität in Gegenständen und Darstellung, nationale Eigenart der Dichtungen“ (Käschel o. J., S. 349). „Und von dieser Auffassung des Volksliedes her ist zu verstehen, dass Herder in die gemischte Sammlung von 1774 zu den deutschen und englischen Liedern auch Übersetzungen ganzer Szenen aus Shakespeare-Dramen eingliederte, dass er 1778/79 zu den anonymen deutschen Stücken Liedschöpfungen von Simon Dach, [Matthias] Claudius und Goethe stellte oder in der Vorrede die Werke Homers, der alten griechischen Dramatiker, der römischen Lyriker, die althochdeutsche und mittelhochdeutsche Kunstdichtung, den Minnesang, Otfried von Weißenburg und Dante zur Volksdichtung zählte“ (ebd.).

Eine Sammlung von Texten stellte Herder 1773 als Druckmanuskript unter dem Titel Alte Volkslieder zusammen; sie erschien – u. a. wegen Anfeindungen – jedoch erst 1778/79 unter dem Titel Volkslieder in gedruckter Version. Sie enthielt nur Texte, keine Melodien, obgleich Herder letztere anscheinend für einen wichtigen Bestandteil von Volksliedern hielt.

Viele später folgende Ausgaben dieser Sammlung von 172 Liedern wichen von dieser Originalausgabe ab. Vier Jahre nach Herders Tod – im Jahr 1807 – erschien eine Bearbeitung von Johann von Müller innerhalb einer Gesamtausgabe der Herderschen Werke unter dem uns vertrauten Titel Stimmen der Völker in Liedern. Die Anordnung der Lieder wich hier vollständig von der Ausgabe von 1778/79 ab.

Zwar wurden Lieder und Tänze bereits vor Herder gesammelt, doch ging von seinem Engagement für Volkslieder ein entscheidender Impuls für das Interesse an Liedüberlieferungen aus.

Schon im 16. Jahrhundert unterschied der französische Schriftsteller und Philosoph Michel Montaigne eine kunstvolle Poesie selon l’art und eine Naturpoesie, die er bei Naturvölkern vor allem Südamerikas und bei französischen Bauern zu entdecken glaubte.

Vor allem im 18. Jahrhundert wuchs das Interesse an einer Naturpoesie bzw. Volkspoesie. Entscheidend angeregt wurde Herder durch englische Autoren des 18. Jahrhunderts: u. a. durch MacPhersons Fragments of ancient poetry collected in the Highlands (1760) – angeblich Gesänge des Ossian, eines Helden der irischen Mythologie, in Wirklichkeit jedoch eine Fälschung – und die Reliques of ancient English Poetry von Thomas Percy (1765). Herders Bemühen stand im Kontext von literarischen Bewegungen der damaligen Zeit, die die Nähe zum Volk und dessen Dichtung suchten, um der nach ihrer Auffassung in ihren Formen und Gesetzen erstarrten Kunstdichtung frische Impulse zu geben. Herder erkannte „als erster ganz klar die wichtige Funktion, die der Volksdichtung bei der Erneuerung der im Argen liegenden nationalen Poesie zukommen konnte, und propagierte diese Erkenntnis – unbeirrt von Anfeindungen und Spott – unermüdlich in zahlreichen Schriften“ (Stockmann 1992, S. 2). Die literarischen Erneuerungsbewegungen richteten sich gegen Schriftsteller der Aufklärung wie beispielsweise Johann Christoph Gottsched (1700–1766), der sich im Bemühen um eine Aufwertung der deutschen Literatur die Dramen des französischen Klassizismus zum Vorbild genommen hatte.

In seine Volksliedsammlung nahm Herder außer mündlich tradierten zahlreiche Texte deutscher und ausländischer Dichter auf. Dabei war er u. a. mit dem Problem der Übersetzung fremdsprachiger Liedtexte ins Deutsche konfrontiert. Ihm war klar, dass wortwörtliche Übertragungen in vielen Fällen nicht möglich waren: „Beim Übersetzen ist das schwerste, diesen Ton, den Gesangton einer fremden Sprach zu übertragen […] Oft ist kein ander Mittel, als, wenn’s unmöglich ist das Lied selbst zu geben, wie es in der Sprache singet, es treu zu erfassen, wie es in uns übertönet, und festgehalten, so zu geben [...] Die Hauptsorge dieser Sammlung ist also auch gewesen, den Ton und die Weise jedes Gesanges und Liedes zu fassen und treu zu halten“ (zit. nach Boock 2003). Herder „versuchte mit seinen Übertragungen [...], sich in die ursprüngliche Empfindung, aus der ein Lied entstanden war, [...] einzufühlen, Empfindung und Ausdruck möglichst nicht mit dem Material der fremden deutschen Sprache zu verletzen“ (Käschel, o. J., S. 353).

Herder regte u. a. den jungen Goethe, dem er 1770 in Straßburg erstmals begegnete, dazu an, zwölf deutsche Balladen im Elsass, die von betagten Sängerinnen gesungen wurden, aufzuzeichnen; Goethe schrieb an ihn: „Ich habe noch aus dem Elsaß zwölf Lieder mitgebracht, die ich auf meinen Streifereien aus denen Kehlen der ältesten Müttergens aufgehascht habe.“ Goethe sandte Herder die Lieder 1771 zu, und der nahm einige in seine Sammlung auf, so das Lied vom eifersüchtigen Knaben und den Herrn von Falkenstein. Die Melodien dazu gingen verloren. Die Ballade vom Herrn von Falkenstein tauchte bereits im 16. Jahrhundert auf Flugschriften auf; es gibt von ihr viele verschiedene Text- und Melodievarianten.

Eine andere Ballade in Herders Sammlung ist Erlkönigs Tochter, eine Übertragung von Herder aus dem Dänischen. Dieses Lied mit dem dänischen Titel Elveskud handelt in Herders Übersetzung von Herrn Oluf, der am nächsten Tag Hochzeit machen möchte, aber beim Tanz mit Elfen tödlich verwundet wird. „Aufgrund einer Fehlübersetzung wurde aus ‚Elver-‘ gleich ‚Eller-‘ schließlich ‚Erl-‘“ (Booklet zur CD Röslein auf der Heiden, S. 12). Das Lied regte Goethe zu seiner Dichtung Erlkönig („Wer reitet so spät durch Nacht und Wind“, 1781/82) an, die von Johann Friedrich Reichardt, Carl Loewe, Friedrich Zelter, Franz Schubert u. v. a. vertont wurde.

Durch Herder wurde Goethe auch zu seinem Gedicht Heidenröslein angeregt, und umgekehrt nahm Herder es in seine Volksliedsammlung auf. Goethes Heidenröslein entstand 1771 in Straßburg und stand vermutlich in einem biographischen Zusammenhang mit der Liebesbeziehung zu Friederike Brion, der Pfarrerstochter von Sesenheim. Goethe veröffentlichte das Heidenröslein in der uns bekannten Version erst 1789. Aber schon 1773 erschien es in einer etwas anderen Gestalt in Herders Schrift Von deutscher Art und Kunst, doch ohne Goethes Namen zu nennen und mit dem Vermerk, es sei „aus dem Gedächtnis“ aufgeschrieben. In leicht veränderter Fassung findet sich das Lied dann in Herders Volksliedern. Auch hier wird Goethes Autorschaft nicht erwähnt; „es lässt sich nicht rekonstruieren, ob Goethe das Lied Herder übergab, ohne seinen Namen als Autor zu nennen, oder ob es sich um einen Gedächtnisfehler Herders handelt, wenn er das Lied als der mündlichen Überlieferung entnommen bezeichnete [...]. Herder scheint das Gedicht nur flüchtig angesehen zu haben, und [...] er hat offensichtlich nicht begriffen, dass es sich beim Heidenröslein um die poetische Umschreibung einer Vergewaltigungs- und Deflorationsszene handelt“ (Booklet zur CD Röslein auf der Heiden, S. 7). Vielmehr hielt er es für ein Kinderlied (ebd.). „Lange vor Goethe war das Rosenbrechen ein traditionelles Bild für den Verlust der Unschuld eines Mädchens“ (ebd.), eine Tradition, die bis ins Mittelalter nachweisbar ist.

Unter allen Gedichten Goethes wurde das Heidenröslein das populärste. Es wurde sehr oft vertont. Die Melodie, nach der Goethes Text meistens gesungen wird, stammt von Heinrich Werner; sie entstand 1827 und wurde eine der bekanntesten Volksliedmelodien. Heinrich Werner lebte von 1800–1833; er wirkte als Dirigent und Komponist in Braunschweig. Das Heidenröslein ist seine „Hauptwerk“. Weitere Vertonungen von Goethes Gedicht gibt es von Franz Schubert (1815), Robert Schumann, Felix Mendelssohn Bartholdy und Johannes Brahms. Der japanische Germanist und Volksliedforscher Hachiro Sakanishi hat in einer Publikation von 1987 insgesamt 91 Vertonungen von Goethes Heidenröslein zusammengetragen (Booklet zur CD Röslein auf der Heiden, S. 9).

Herder fand mit seinen Vorstellungen vom Volkslied viel Resonanz unter den Gebildeten. Außer Goethe regte er Gottfried August Bürger und Christian Friedrich Daniel Schubart an; ebenso die Komponisten Johann Friedrich Reichardt (1798 Wiegenlieder für gute deutsche Mütter, darunter das Lied Schlaf Kindchen schlaf), Johann Abraham Peter Schulz (1782 Lieder im Volkston bey dem Klavier zu singen, darunter Der Mond ist aufgegangen).

Außerdem beeinflusste Herder die Romantiker Achim von Arnim und Clemens Brentano, die Volkslieder sammelten (Des Knaben Wunderhorn, 1806–1808), sowie die Brüder Grimm beim Sammeln von Märchen und Sagen (Kinder- und Hausmärchen, 1812–15). Sie beschränkten sich – wie Herder – nicht auf Deutschsprachiges, sondern bezogen viele ausländische Quellen mit ein. Herders Interesse an Volksliedern war nicht nationalistisch geprägt, sondern er wollte zum Verständnis der Kulturen verschiedener Völker beitragen. Seine Liedsammlung enthält Übersetzungen vieler Liedtexte aus zahlreichen europäischen und auch einigen außereuropäischen Ländern.

Es gab aber auch Zeitgenossen, die Herders Volksliedbegeisterung nicht teilten. Dazu gehörte der Berliner Schriftsteller und Verleger Friedrich Nicolai, der sich in seiner 1777/78 erschienenen Schrift Eyn feyner kleyner Almanach vol schönerr echterrr liblicherr Volkslieder... über Herder u. a. Volksliedbegeisterte lustig machte. Nicolais Almanach enthielt eine Mischung zeitgenössischer z. Tl. derber Volks- und Gassenlieder, die Herder als „Schüssel von Schlamm“ empfand. Vermutlich ungewollt leistete Nicolai mit seiner Sammlung von 64 Liedern der Volksliedforschung einen wertvollen Dienst, indem er u. a. damals volkläufige Singweisen tradierte.

Nicolais Sammlung enthält u. a. das bis heute bekannte Lied Nachtjäger, das seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu belegen ist. Das Lied ist im Deutschen Liederhort von Ludwig Erk und Franz Magnus Böhme überliefert (Bd. 1, Nr. 19). Herder kannte dieses Lied, er teilte einige Strophen davon in seiner Schrift Von deutscher Art und Kunst (1773) mit, nahm den Text aber nicht in seine Volksliedsammlung auf, weil ihm vermutlich die sexuellen Anspielungen im Liedtext missfielen. Im Vorwort des zweiten Bandes Stimmen der Völker in Liedern schrieb Herder – gewiss auch im Hinblick auf Nicolais Liedsammlung: „Volk heißt nicht der Pöbel auf den Gassen, der singt und dichtet niemals, sondern schreit und verstümmelt.“

Herder, Stimmen der Völker in Liedern

(Auszüge aus der Einleitung zum Zweiten Teil)

[...]

Es ist wohl nicht zu zweifeln, daß Poesie und insonderheit Lied im Anfang ganz volksartig d. i. leicht, einfach, aus Gegenständen und in der Sprache der Menge, so wie der reichen und für alle fühlbaren Natur gewesen. Gesang liebt Menge, die Zusammenstimmung vieler: er fordert das Ohr des Hörers und Chorus der Stimmen und Gemüter. Als Buchstaben- und Silbenkunst, als ein Gemälde der Zusammensetzung und Farben für Leser auf dem Polster wäre er gewiß nie entstanden oder nie, was er unter allen Völkern ist, worden. Alle Welt und Sprache, insonderheit der älteste, graue Orient liefert von diesem Ursprunge Spuren die Menge, wenn es solche vorzuführen und aufzuzählen not wäre.

[...]

Der größte Sänger der Griechen, Homerus, ist zugleich der größte Volksdichter. Sein herrliches Ganze ist nicht Epopee, sondern έπος, Märchen, Sage, lebendige Volksgeschichte. Er setzte sich nicht auf Sammet nieder, ein Heldengedicht in zweimal vierundzwanzig Gesängen nach Aristoteles’ Regel oder, so die Muse wollte, über die Regel hinaus zu schreiben, sondern sang, was er gehöret, stellte dar, was er gesehen und lebendig erfaßt hatte: seine Rhapsodien blieben nicht in Buchläden und auf den Lumpen unsres Papiers, sondern im Ohr und im Herzen lebendiger Sänger und Hörer, aus denen sie spät gesammlet wurden und zuletzt, überhäuft mit Glossen und Vorurteilen, zu uns kamen. Homers Vers, so umfassend wie der blaue Himmel und so vielfach sich mitteilend allem, was unter ihm wohnet, ist kein Schulen- und Kunsthexameter, sondern das Metrum der Griechen, das in ihrem reinen und feinen Ohr, in ihrer klingenden Sprache zum Gebrauch bereitlag und gleichsam als bildsamer Leim auf Götter- und Heldengestalten wartete.

[...]

Der Strom der Jahrhunderte floß dunkel und trübe für Deutschland. Hie und da hat sich eine Stimme des Volks, ein Lied, ein Sprüchwort, ein Reim gerettet; meistens aber schlammig, und reißen es die Wellen sogleich wieder hinunter. Ich nehme lateinische Verse und Reimchroniken aus, die zu meinem Zweck nicht gehören, so ist mir noch wenig zu Gesicht gekommen, das den besten Stücken der Engländer, Spanier oder nordischen Völker an die Seite zu setzen wäre.

[...]

Zum Volkssänger gehört nicht, daß er aus dem Pöbel sein muß oder für den Pöbel singt; sowenig es die edelste Dichtkunst beschimpft, daß sie im Munde des Volks tönet. Volk heißt nicht der Pöbel auf den Gassen, der singt und dichtet niemals, sondern schreit und verstümmelt.

[...]

Überhaupt ists ja für jeden, der in der Geschichte das Heut und Gestern kennet, so gut als ausgemacht, daß lyrische Dichtkunst oder, wie die Herren sagen, deutsche Originallieder nicht eben der Nerve unsres Volks und die erste Blume seiner poetischen Krone gewesen. Treuherzigkeit und ehrliche Lehrgabe war von jeher unser Charakter, so wie im Leben so auch im Schreiben und in der Dichtkunst. Dies zeigt sich in allen Jahrhunderten, aus denen man deutsche Geschichte, Chronik, Sprüchwörter, Reime, Erzählungen, Lehrsprüche u. dgl., selten aber Lieder und Lieder der Art kennet, die man noch jetzt auftragen könnte. Liege es an Ursachen von innen oder außen (wie gewöhnlich, liegts in beiden), so war von jeher die deutsche Harfe dumpf und die Volksstimme niedrig und wenig lebendig.

Kriterien von Herders Volksliedbegriff

Dem Begriff Volkslied gab Herder „einen nicht immer konkret faßbaren, hin und wieder wechselnden, aber im Kern durch drei Züge wesentlich bestimmten Gehalt“ (Klusen 1969, S. 133). Die drei Hauptkriterien waren:

·        Ästhetische Qualität, Schönheit, wobei für Herder die Schönheit des Volksliedes „in der Naivität, der Unregelmäßigkeit, der Absichtslosigkeit, in dem, was er ‚Wurf‘ und ‚Sprünge‘ nennt“, lag. Herder sah in dieser Poesie nichts Verbesserungsbedürftiges (Klusen 1969, S. 133).

·        Entstehung im Volk und allgemeine Verbreitung; das Volkslied wurzelt nicht in Kreisen der Gebildeten.

·        Hohes Alter: d. h. Volkslieder waren Reste aus den Kulturen alter Völker.

Wie auch viele Sammler und Forscher späterer Zeiten interessierte sich Herder nicht für die aktuelle Situation des Liedes in seiner Zeit. Nur in alten, vergangenen Epochen – einem fiktiven „goldenen Zeitalter“ – konnte nach seiner Auffassung das Volkslied gedeihen. Die Lieder der Gegenwart nannte er verächtlich „Schlamm“ und „Koth“. Sein Engagement für die Volksdichtung war geprägt durch Gegenwartspessimismus: „Wir sind eben am äußersten Rand des Abhanges: ein halb Jahrhundert noch, und es ist zu spät!“ (Käschel o. J., S. 351 f.)

Klusen stellt fest: Bereits in dem Augenblick, wo der Begriff Volkslied geprägt wurde, wich er bewusst von der aktuellen Situation des Liedsingens ab. Durch Herder drang auch der gern gebrauchte, aber kaum definierbare Begriff der Volksseele als Ursprung des Volksliedes und der Volksdichtung in die Liedforschung ein.

Einfluss auf die Lieder, die zu seiner Zeit von breiten Massen gesungen wurden, hatte Herder nicht. Das war auch nicht sein Anliegen. Seine Fiktion vom Volkslied und von der dichtenden Volksseele hatte jedoch weit reichende Folgen; Klusen nennt sie einen „schöpferischen Irrtum“ (Klusen 1969, S. 137), der Volksliedforschung und -pflege bis in die Gegenwart inspiriert habe.

 

Achim von Arnim/ Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn

Literatur (Auswahl)

Clemens Maria Brentano. In: Wikipedia

Des Knaben Wunderhorn (1979). Studienausgabe. Hg. von Heinz Rölleke. 9 Bde. Stuttgart u. a.

Harenbergs Lexikon der Weltliteratur (1989). Autoren – Werke – Begriffe. Band 1. Art. Arnim, Achim von; Brentano, Clemens. Dortmund.

Hauptwerke der deutschen Literatur (1994). Einzeldarstellungen und Interpretationen. Ausgewählt u. zusammengestellt von Rudolf Radler. Bd. 1: Von den Anfängen bis zur Romantik. München. Art. Des Knaben Wunderhorn. S. 292 ff.

Klusen, Ernst (1969): Volkslied. Fund und Erfindung. Köln.

 

Lebensdaten der Herausgeber

Achim von Arnim

Geboren 1781 in Berlin, gestorben 1831

Arnim entstammte einer preußischen Adelsfamilie.

1798–1801 Studium der Rechtswissenschaften, Mathematik und Naturwissenschaften in Halle (Saale) und Göttingen, wo er mit Clemens Brentano Freundschaft schloss.

1802 Rheinreise zusammen mit Clemens Brentano; sie ließ den Plan zur Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn reifen.

Seit 1805 lebte er zusammen mit Brentano und dem Publizisten und Gelehrten Joseph von Görres in Heidelberg, das durch sie als Zentrum der Romantik gilt. Sie gaben die Zeitung für Einsiedler heraus.

Von 1809–12 lebte Arnim in Berlin, war dort u. a. Mitarbeiter und Herausgeber verschiedener Zeitungen und gründete eine Christlich-deutsche Tischgesellschaft genannte politische Vereinigung, zu deren Gründungsmitgliedern auch Clemens Brentano gehörte.

Seit 1811 war Achim von Arnim mit Bettina von Arnim, Schriftstellerin und Schwester von Clemens Brentano, verheiratet.

Nach den Freiheitskriegen 1813–1815 gegen Napoleon widmete sich Arnim der Bewirtschaftung seiner Güter in Wiepersdorf (Mark Brandenburg), wo er 1831 starb.

Clemens Brentano

Geboren 1778 in Ehrenbreitstein (heute Koblenz), gestorben 1842 in Aschaffenburg

Brentano war der Sohn eines italienischen Kaufmanns, dessen Familie in Frankfurt am Main etabliert war, und von Maximiliane von La Roche. Er wuchs in Frankfurt am Main und Koblenz auf. Nach dem Scheitern einer kaufmännischen Lehre studierte er ab 1797 in Halle Bergwissenschaften und ab 1798 in Jena Medizin, ging aber immer stärker seinen literarischen Neigungen nach. In Jena lernte er Vertreter der Weimarer Klassik (Wieland, Herder, Goethe) und der jungen Romantik (Friedrich Schlegel, Johann Gottlieb Fichte, Ludwig Tieck) kennen.

1801 lernte Brentano in Göttingen, wo er Philosophie studierte, Achim von Arnim kennen. Aus dieser Begegnung entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft.

1803 heiratete er Sophie Mereau; nach ihrem Tod ging er 1807 eine neue Ehe ein, die aber unglücklich verlief und 1811 geschieden wurde.

1804 zog Brentano nach Heidelberg, wo er zusammen mit Arnim die Zeitung für Einsiedler (als Buch mit dem Titel Trösteinsamkeit) und die Volksliedsammlung Des Knaben Wunderhorn (1805–08) herausgab.

Zwischen 1809–1817 wirkte Brentano in Berlin, Wien und Prag.

Obgleich Brentano in gesicherten materiellen Verhältnissen lebte, war sein Leben ruhelos und von zahlreichen Krisen erschüttert. An Depressionen leidend, wandte er sich 1817 dem katholischen Glauben in einer mystizistischen Ausprägung zu, die sich auch in seinen Dichtungen niederschlug. Er hielt sich am Krankenbett der stigmatisierten Nonne Anna Katharina Emmerick in Dülmen (Westfalen) auf und schrieb bis zu ihrem Tod ihre Visionen nieder.

Seit 1829 lebte Brentano in Frankfurt und seit 1833 in München, wo er zu dem Kreis um Joseph von Görres gehörte.

Brentano schrieb u. a. zahlreiche Erzählungen und Gedichte. Berühmt wurde seine Ballade von der Loreley, die Heine später aufgriff.

Des Knaben Wunderhorn

Der erste Band erschien 1805 (obgleich auf 1806 datiert), die Bände 2 und 3 1808. Band 1 wird eingeleitet mit einer Widmung an Goethe und schließt mit einem Anhang, der Arnims Abhandlung Von Volksliedern und eine Nachschrift an den Leser enthält. Band 3 enthält u. a. einen von Brentano allein bearbeiteten Anhang von Kinderliedern. Seitdem folgten mehrere weitere Ausgaben des Werkes. Im Rahmen der Frankfurter Brentano-Ausgabe veröffentlichte Heinz Rölleke 1979 eine neunbändige historisch-kritische Ausgabe des Wunderhorns.

Der Plan Arnims und Brentanos, eine Sammlung altdeutscher Lieder zusammenzustellen, reicht zurück in das Jahr 1802, als sie gemeinsam eine Rheinreise unternahmen. Zu dem Titel Des Knaben Wunderhorn wurden sie durch ein Lied aus Anselm Elwerts Ungedruckte Reste alten Gesangs (1784) angeregt, das auf einer altfranzösischen Vorlage basierte.

Zu dem ersten Band des Wunderhorns schrieb Goethe eine Rezension, die Arnim und Brentano dazu ermunterte, allen Anfeindungen zum Trotz die Sammlung fortzusetzen. So wurde in Beckers Reichsanzeiger vom Dezember 1805 ein Aufruf zur Mitarbeit veröffentlicht. Er wurde patriotisch begründet: „Die Besinnung auf das gemeinsame Erbe der Vorzeit sollte den deutschen Stämmen ihre kulturelle Einheit bewusst machen und [...] die nationale Opposition gegen Napoleon stärken“ (Hauptwerke der deutschen Literatur 1994, S. 292 f.). Der Aufruf fand viel Beachtung; von den zahlreichen gesammelten Liedern konnte nur ein Bruchteil veröffentlicht werden; nach Rölleke würde eine Publikation des gesamten erhaltenen handschriftlichen Materials zum Wunderhorn einen Folioband von mehr als 6000 Druckseiten füllen. Zu den Sammlern gehörten u. a. Bettina Brentano und die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm; laut Rölleke gab es ca. fünfzig zeitgenössische Mitarbeiter und Vorlagen von ca. 140 älteren – bekannten sowie anonymen – Dichtern.

Arnim und Brentano ging es nicht so sehr um historische Genauigkeit, was ihnen z. Tl. Kritik einbrachte, sondern mehr um ein poetisches Erschließen der Vergangenheit und eine poetische Stilisierung des Volksgesangs. Viele der Lieder wurden von den Herausgebern um- und nachgedichtet.

Die frühen Volksliedsammlungen waren meist nur Textsammlungen; so auch Des Knaben Wunderhorn, das eine Dokumentation dessen ist, „was die Herausgeber ganz im Sinne Herders für schön, d. i. für wertvoll, für alt und ehemals für weitverbreitet hielten“ (Klusen 1969, S. 140). Arnim/ Brentano griffen z. Tl. auf schriftliche Quellen zurück, darunter Herders Volkslieder. Sie wollten mit ihrer Veröffentlichung dazu beitragen, das Volkslied aus alter Tradition wiederzubeleben, es wieder unters „Volk“ zu bringen.

Des Knaben Wunderhorn löste eine starke Resonanz aus. Komponisten wie Robert Schumann, Johannes Brahms und Gustav Mahler (1860–1911) ließen sich zu zahlreichen Kompositionen anregen. Manche Texte des Wunderhorns wurden populär, die Jugendbewegung griff viele in ihren Liederbüchern auf; auch durch Schulbücher fanden manche Lieder weite Verbreitung: z. B. Guten Abend, gute Nacht; Schlaf, Kindlein, schlaf; Wenn ich ein Vöglein wär; Es ist ein Schnitter, der heißt Tod. Ebenso empfing die Lyrik des 19. Jahrhunderts Anregungen durch das Wunderhorn.

 

Die Sammlungen von Zuccalmaglio und Erk/ Böhme

Vor dem Hintergrund nationaler Bestrebungen im 19. Jahrhundert wurden viele Volksliedsammlungen staatlich angeregt und gefördert. So begann in Österreich auf Initiative des Erzherzogs Johann ab 1811 eine intensive Sammel- und Befragungsaktion in den Ländern der Habsburger Monarchie. In Frankreich wurde 1852 von Napoleon III. ein Dekret erlassen mit der Aufforderung, Volkslieder zu sammeln.

In vielen Sammlungen wurden Texte und Melodien verändert, „verbessert“ und neu gestaltet. Die frühen Volksliedsammlungen entstanden im Allgemeinen aufgrund künstlerischer Ambitionen. Man erhoffte vom Volkslied frische Impulse für die Kunstdichtung.

Nicht wissenschaftlich, sondern ästhetisch inspiriert waren die Liedsammlungen des Dichters und Musikers Anton Wilhelm von Zuccalmaglio (1803–69), der vor allem in seiner Heimat, dem Bergischen Land, Volkslieder sammelte und gemeinsam mit August Kretzschmer die Sammlung Deutsche Volkslieder mit ihren Originalweisen veröffentlichte (2 Bände. Berlin 1838–41). Zuccalmaglio veränderte Texte und Melodien oder fügte Texte und Melodien verschiedener Lieder zu neuen Liedern zusammen (z. B. Kein schöner Land). Solche Sammlungen waren zwar wissenschaftlich wertlos, jedoch oftmals erfolgreich. Zuccalmaglios Sammlungen entnahm Brahms z. B. das Lied Verstohlen geht der Mond auf, das er für ein altdeutsches Minnelied hielt, und verwendete es als Thema für das Andante seiner Klaviersonate op. 1.

An dem von Herder übernommenen Ideal des Volksliedes wurde auch festgehalten, wenn es der Wirklichkeit widersprach – auch noch im 20. Jahrhundert. Wenn Volksliedsammler wie Arnim/ Brentano oder Zuccalmaglio Lieder fanden, die dem postulierten Schönheitsideal nicht entsprachen, dann wurden diese verändert oder unterschlagen. Das geschah sogar in wissenschaftlichen Sammlungen: In Ludwig Erks Nachlass finden sich Bemerkungen, die darauf hindeuten, dass er manchmal „zotige“ Strophen wegließ. In den Vorworten mancher Volksliedsammlungen weisen die Herausgeber gelegentlich darauf hin, dass sie Lieder und Verse, die ihnen „unziemlich“ und „sittenlos“ erschienen, eliminiert hätten.

„Bis gegen die Mitte des Jahrhunderts herrschte trotz aller Gegensätze Einigkeit über den idealen, schönen, lang währenden weit verbreiteten Charakter des Volksliedes.“ Weitgehend herrschte auch Einigkeit über die Frage der Schöpfer der Volkslieder: Sie galten als unbekannt (Klusen 1969, S. 142).

Den ersten Versuch einer wissenschaftlichen Gesamtausgabe deutscher Volkslieder unternahmen Ludwig Erk (1807–83) und Franz Magnus Böhme (1827–98), die in dem drei Bände umfassenden Deutschen Liederhort 2175 Lieder (mit Varianten) herausgaben. Ludwig Erk, Musiklehrer in Berlin, wo er auch Gesangvereine leitete, hatte etwa in den Jahren 1830–82 ca. 20.000 Lieder gesammelt, die u. a. in den folgenden Veröffentlichungen präsentiert wurden:

Erk, Ludwig/ Irmer, Wilhelm: Deutsche Volkslieder mit ihren Singweisen. 13 Hefte in 3 Bänden. Berlin 1838–45.

Erk, Ludwig: Deutscher Liederhort. Berlin 1856.

Erk, Ludwig/ Böhme, Franz Magnus: Deutscher Liederhort Bd. I–III. Leipzig 1893/94 (Neubearbeitung und Fortsetzung der Publikation von 1856).

Franz Magnus Böhme, der an der Herausgabe der dreibändigen Sammlung Deutscher Liederhort beteiligt war, war von Beruf Lehrer und Kantor und in späteren Jahren Dozent für Kontrapunkt und Musikgeschichte am Hoch’schen Konservatorium in Frankfurt am Main.

Ludwig Erk war der erste systematische Melodiensammler. Zu den einzelnen Liedern sammelte und veröffentlichte er jeweils verschiedene Varianten, wobei er davon überzeugt war, dass er durch den kritischen Vergleich verschiedener Fassungen die „richtige“, noch nicht korrumpierte Urfassung finden könne.

Die zahlreichen im 19. Jahrhundert entstehenden Männergesangvereine waren wichtige Träger des Volksliedes. Der Männerchor nahm „das neuentdeckte alte Volkslied in sein Repertoire auf und schuf damit neben dem gebildeten Bürgertum eine zweite, breitere Grundlage des Volksliedsingens in klein- und mittelbürgerlichen Schichten“ (Klusen 1969, S. 146). Friedrich Silcher (1789–1860) schrieb für die Chöre zahlreiche Volksliedbearbeitungen.

Im 19. Jahrhundert gab es auch eine starke nationalstaatliche Ideologisierung des Liedgesangs, der eine breite Basis in Armee, Schule, Studentenverbindungen und Männerchören hatte. Für sie wurden viele vaterländische Lieder geschrieben, durch sie wurden sie verbreitet.

 

Das 20. Jahrhundert: Tendenzen der Volkslied-/Volksmusikforschung

Literatur (Auswahl)

Berlin, Gabriele (2006): Wissenschaftliches Potential und kulturpolitische Grenzen – über Sinn und Unsinn von Musikarchivierung. In: Musikalische Volkskultur und elektronische Medien. Tagungsbericht Köln 2004 der Kommission zur Erforschung musikalischer Volkskulturen in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde e. V. Hg. von Gisela Probst-Effah. S. 1–6.

Bröcker, Marianne: Volksmusik. In: Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG). 2., neubearb. Ausgabe. Sachteil Band 9. Sp. 1733–1761.

Klusen, Ernst (1969): Volkslied. Fund und Erfindung. Köln.

Kopiez, Reinhard/ Brink, Guido (1998): Fußball-Fangesänge. Eine FANomenologie. Würzburg (Buch u. CD).

Stockmann, Doris (1992): Volks- und Popularmusik in Europa. Kapitel I: Wissen­schaftsgeschichte und Forschungsmethoden. S. 1 ff. Laaber. (= Neues Handbuch der Musikwissen­schaft. Hg. v. Carl Dahlhaus. Bd. 12.)

Thiel, Helga (2006): Historische Tondokumente der Jahre 1901 bis 1939 im Phonogrammarchiv in Wien. In: Musikalische Volkskultur und elektronische Medien. Tagungsbericht Köln 2004 der Kommission zur Erforschung musikalischer Volkskulturen in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde e. V. Hg. von Gisela Probst-Effah. S. 7–13.

 

Mit der Gründung der Zeitschrift Das deutsche Volkslied durch Josef Pommer im Jahr 1899 und des Deutschen Volksliedarchivs (DVA) in Freiburg i. Br. durch John Meier im Jahr 1914 setzte eine systematische wissenschaftliche Volksliedforschung ein. Das Deutsche Volksliedarchiv (DVA) in Freiburg im Breisgau war zunächst nur für die Sammlung von Texten zuständig, die Melodien wurden ab 1917 im Archiv deutscher Volkslieder in Berlin unter Max Friedlaender gesammelt; erst 1928 wurde im DVA eine eigene Musikabteilung geschaffen. 1928 erschien der erste Band des Jahrbuchs für Volksliedforschung, 1935 der erste Band der Deutschen Volkslieder mit ihren Melodien.

Gegründet wurden weitere, zum Teil regionale Sammel- und Forschungsstellen, u. a. das Institut für Musikalische Volkskunde an der Universität zu Köln (hervorgegangen aus dem Niederrheinischen Volksliedarchiv) und verschiedene Sammel-, Forschungs- und Pflegeinstitutionen des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege e. V.

In zahlreichen Ländern widmen sich Studien- und Arbeitsgruppen dem Forschungsgegenstand Volksmusik, so die verschiedenen Study Groups des International Council for Traditional Music (ICTM) sowie die Kommission zur Erforschung musikalischer Volkskulturen in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde.

Die frühe Sammel- und Forschungstätigkeit war auf die Mit- und Niederschrift des Vorgetragenen angewiesen; sie musste unmittelbar erfolgen und konnte dadurch Hör- und Verständnisfehler enthalten, die nicht mehr nachprüfbar waren. Der technische Fortschritt ermöglichte präzisere und besser kontrollierbare Aufzeichnungen. Vor der Wende zum 20. Jahrhundert entstanden erste Aufnahmen von Volksmusik auf Wachswalzen, und so konnten Transkriptionen überprüft werden.

Bei der Frage nach dem schöpferischen Potential des Volkes standen sich seit ca. 1900 zwei unterschiedliche Auffassungen bzw. Theorien gegenüber: die Rezeptionstheorie (John Meier) und die Produktionstheorie (Josef Pommer).

Die Annahme von der Anonymität des Verfassers und damit der Mythos vom kollektiven Ursprung der Volkslieder wurden um 1900 von John Meier widerlegt. Er konnte nachweisen, dass zahlreiche Volkslieder ursprünglich von individuellen Autoren geschaffene Kunstlieder waren (Kunstlieder im Volksmund, 1906). Nach Meiers Auffassung waren Volkslieder zumeist in gebildeten Kreisen entstandene Individuallieder, die sich das Volk – worunter die niedrigeren sozialen Schichten verstanden wurden – aneignete (Rezeptionstheorie).

Dieser Auffassung widersprach Josef Pommer, der Begründer der österreichischen Volksliedforschung, mit der These, das Volkslied sei Produkt des Volkes (Produktionstheorie).

Inzwischen ist durch systematische Materialanalysen längst erwiesen, dass beide Theorien ihre Gültigkeit haben und keine von ihnen ausschließliche Geltung beanspruchen kann.

Die Volksliedforschung war lange Zeit ein Zweig der Germanistik, sie konzentrierte sich ganz auf die Texte. Diejenigen, die sangen und/ oder rezipierten, wurden nicht in die Betrachtung mit einbezogen. Die philologische Volksliedforschung beschäftigte sich u. a. mit der Variabilität des Volksliedes aufgrund des Zersingens. Die Veränderbarkeit bzw. Variabilität durch mündliche Tradierung galt als eines der wichtigen Kriterien des Volksliedes.

Demgegenüber entwickelte sich eine soziologisch orientierte Volksliedforschung. Es war Ferdinand Tönnies (1855–1936), Hauptbegründer der Soziologie als einer selbständigen Disziplin, der mit seiner Unterscheidung von Gemeinschaft (naturhaft-organische Verbände) und Gesellschaft (zweckgerichtete Zusammenschlüsse) die Volkskunde beeinflusste. Der Terminus Gemeinschaft gewann mit Julius Schwieterings 1929 erschienenem Aufsatz Das Volkslied als Gemeinschaftslied für die Volksliedforschung Bedeutung. Schwieterings Schülerin Martha Bringemeier veröffentlichte 1931 ihre Untersuchung Gemeinschaft und Volkslied, in der sie das Volksliedsingen in einem westfälischen Dorf darstellt. Bringemeier sieht dieses Dorf als eine religiös verankerte Gemeinschaft. Im Unterschied zur germanistischen Volksliedforschung, die das schriftlich fixierte Lied untersucht, existiert das Volkslied im Verständnis Bringemeiers nur in dem Augenblick, in dem es innerhalb der Gemeinschaft gesungen wird. Neu an Bringemeiers Untersuchung war auch, dass sie die Funktion des Volksliedes mit Methoden der Feldforschung untersuchte.

Grenzen von Bringemeiers Untersuchungsansatz: Sie untersuchte ein soziales Gebilde, das in seiner „Zurückgebliebenheit“ eigentlich schon der Vergangenheit angehörte. Diese Retrospektivität war lange Zeit symptomatisch für die Volksliedforschung insgesamt – sie ist es z. Tl. noch: Das „echte“ Volkslied wird in der Vergangenheit und in sozialen Gebilden gesucht, die Vergangenes am ehesten zu konservieren scheinen: im Dorf, verstanden als Gegensatz zur Stadt.

Insbesondere durch das „Dritte Reich“ wurden Begriffe wie Volk und Volkslied ideologisch verdächtig. Die Nationalsozialisten interpretierten den Gemeinschaftsbegriff in einer anderen Weise als Schwietering und Bringemeier: Sie sahen Gemeinschaft rassisch begründet.

Durch die Nazis geriet das Volkslied als Instrument der Ideologisierung und Manipulation endgültig in Misskredit. Ernst Klusen schlug 1969 vor, den ideologisch belasteten Begriff Volkslied aufzugeben und durch den neutraleren Begriff Gruppenlied zu ersetzen (Ernst Klusen: Volkslied. Fund und Erfindung). Unter Gruppe verstand Klusen nicht nur die am Singen oder Musizieren Beteiligten, sondern auch die Zuhörer. Zwischen den agierenden und re-agierenden Mitgliedern einer solchen Gruppe entsteht ein Vorgang, den Klusen als musikalische Interaktion bezeichnete. Das Gruppenlied definierte Klusen als einen Gegenstand, „der etwas außer ihm selbst Liegendes verwirklicht. Das Gruppenlied ist somit nicht Selbstzweck. Es ist ein ‚dienender Gegenstand’.“

Der Begriff Gruppenlied anstelle von Volkslied konnte sich nicht durchsetzen. Weiterhin behaupten sich sowohl im wissenschaftlichen als auch im allgemeinen Sprachgebrauch die traditionsreichen, jedoch unscharfen Begriffe Volkslied und Volksmusik.

Folgende Kriterien des Volksliedes wurden im Verlauf von dessen Sammlung und Erforschung herausgestellt:

Diese Werteskala hinterlässt noch in der Gegenwart ihre Spuren, obwohl in den letzten Jahrzehnten neben die Erforschung der älteren, historischen Lieder vor allem auch die der gegenwärtig gesungenen Lieder getreten ist. Die sogenannte Singforschung behandelt als Volkslied, was tatsächlich erklingt. Das muss nicht ästhetisch wertvoll sein, auch nicht sehr alt und im ganzen Volk verbreitet. So werden Bereiche in die Betrachtung einbezogen, die von der alten Volksliedforschung ausgeklammert wurden. Das Gebiet der Singforschung ist somit viel komplexer und schwerer überschaubar als das der alten Volksliedforschung. Neue Themenbereiche, die die traditionelle Volksliedforschung nicht kannte, sind z. B.: das Singen bei Demonstrationen; Gesang in Fußballstadien.

Die traditionelle Musikalische Volkskunde war vor allem Volksliedforschung, d. h. sie fokussierte auf meist traditionelle, (relativ) populäre Lieder. Ein weiterer zentraler Untersuchungsgegenstand traditioneller Musikalischer Volkskunde war die Musik im Zusammenhang mit traditionellen Bräuchen: z. B. zu Weihnachten, St. Martin, Ostern, zu Schützenfesten etc. Der neueren musikalischen Alltagskultur begegnete die Musikalische Volkskunde oft mit großer Skepsis und Ablehnung: z. B. dem Schlager, der volkstümlichen Musik, der Popmusik. Das hat sich inzwischen weitgehend geändert. Das Fach ist nicht mehr auf die kulturelle Vergangenheit fixiert, sondern bezieht Gegenwartserscheinungen in die Untersuchungen mit ein. So entstand vor etwa zwei Jahren im Kölner Institut für Musikalische Volkskunde eine Untersuchung von Klingeltönen für Handys. Ein weiterer Bereich volkskundlicher Gegenwartsforschung sind die Fangesänge bei Sportveranstaltungen, besonders beim Fußball und Eishockey ( z. B. Kopiez/ Brink 1998).

Im Vergleich mit der Sammlung von Texten begann die Aufzeichnung bzw. Transkription oraler Musiktraditionen relativ spät. Transkription in Musikethnologie und Volksmusikforschung ist „die auditive Übertragung klingender Musik in Notenschrift oder andere visuell fassbare Substrate [...], sofern diese nach Tonaufnahmen (Primärquellen) erfolgt“ (Stockmann 1992, S. 14 f.).

Die Melodienotierung nach Gehör erfolgte in der vorphonographischen Periode direkt im Terrain oder nachträglich aus dem Gedächtnis, wobei ihre Verlässlichkeit nicht nachgeprüft werden konnte. Der Einsatz der Schallaufnahmetechnik schuf für die Feldforschung vollkommen neue Bedingungen, die für die Entwicklung der Musikethnologie als wissenschaftliche Disziplin von entscheidender Bedeutung waren (Stockmann 1992, S. 14 f.). Erst jetzt war es möglich, kompliziertere Musikarten aufzuzeichnen, denn nun waren ein wiederholtes Abhören und damit eine Überprüfung der Aufzeichnungen möglich.

Eine Schwierigkeit der Transkription bestand bzw. besteht darin, dass das gewohnte Notationssystem nicht alle musikalischen Merkmale des aufgenommenen Materials auszudrücken vermag. Vor allem bei wenig bekannten und erforschten Kulturen und Stilen kann oft nicht ohne weiteres entschieden werden, welches deren wesentliche, konstitutive Faktoren sind. Die europäische Notenschrift kann nicht alle in Europa oder auch außerhalb Europas vorkommenden Musikarten gleich gut wiedergeben. Es bedarf häufig zusätzlicher (diakritischer) Zeichen, um Abweichungen von bestimmten musikalischen Normen zu verdeutlichen (Stockmann 1992, S. 19).

Erst die Entwicklung und Anwendung schalltechnischer Medien bewirkte die Entfaltung der Volksmusikforschung bzw. Musikethnologie. Sie ermöglichten eine exakte schriftliche Notierung bzw. Transkription und genaue schallanalytische, psychoakustische und musikstilistische Untersuchungen. Und sie wurden ein wichtiges Medium der Dokumentation. Die Schallaufzeichnung revolutionierte den Erhaltungsprozess von oral tradierter, nicht schriftlich fixierter Musik, die sonst längst verklungen wäre.

Das erste Aufnahmegerät war der Phonograph. Es handelt sich um ein akustisch-mechanisches Aufnahmegerät, das der amerikanische Erfinder Thomas Alva Edison (der auch der Erfinder der Glühlampe ist) entwickelte und 1877 erstmals vorführte. Der Amerikaner W. Fewkes machte 1890 die ersten Musikaufnahmen mit dem Phonographen: die Gesänge eines indianischen Stammes in New Mexiko. Als wissenschaftliches Instrument wurde der Phonograph u. a. durch die vierte Weltausstellung in Paris im Jahre 1900 bekannt.

Ein Nachteil der frühen Phonographen bei Feldforschungen war, dass sie sehr schwer waren. Wegen ihres ungeheuren Gewichts klagten die Forscher über Transportschwierigkeiten. Aus einem Expeditionsbericht des Jahres 1901, verfasst von dem Slawisten Milan von Rešetar, geht hervor, dass die Aufnahmeorte entlang einer Bahnlinie zu wählen waren (Thiel 2006). Es gab keine Möglichkeit, den Phonographen gemeinsam mit weiterem Equipment – mit einem Gesamtgewicht von 120 kg – in abgelegene Örtlichkeiten zu befördern. Rešetar bemühte sich bei Wochen- und Monatsmärkten, die Bauern zu überreden, sich für eine Tonaufnahme zur Verfügung zu stellen. Aber man misstraute dem „Herrn“, der Stimmen „fangen“ wollte. Nur wenige waren schließlich bereit, in einem Hotelzimmer, also in einer völlig fremden Umgebung, die Aufnahmeprozedur über sich ergehen zu lassen (Thiel 2006). Daraus ergab sich der jeder Feldforschung abträgliche Umstand, Informanten zum Gerät zu bringen, statt umgekehrt. Man muss annehmen, dass eine hohe Hemmschwelle seitens der Gewährspersonen die Normalität, d. h. auch die Qualität der aufzunehmenden Inhalte herabsetzte.Später wurden leichtere, bedienungsfreundlichere Phonographen – auch spezielle Reisephonographen für Expeditionen – konstruiert (Thiel 2006).

Die ersten fünfundzwanzig Jahre der 20. Jahrhunderts gehörten dem Phonographen. Danach wurde die Schallplatte entwickelt, die eine bessere Tonaufnahme und -wiedergabe als die Edisonschen Walzen ermöglichten. Während die Phonographen und Phonogramme ausschließlich für wissenschaftliche Zwecke benutzt wurden – die Wachswalzen ließen sich nicht vervielfältigen –, diente die Schallplatte sowohl wissenschaftlichen als auch kommerziellen Interessen.

Ihr Erfinder ist Emil Berliner. Die älteste bis heute erhaltene Berliner-Schallplatte wurde 1887 angefertigt. Es handelt sich um eine Zinkplatte mit nur wenigen Minuten Spieldauer. 1888 präsentierte Berliner das erste Grammophon.

Durch die Möglichkeit der Vervielfältigung entwickelte sich die Schallplatte zu einem kommerziell erfolgreichen Medium. Ab ca. 1900 gab es in Europa zahlreiche Unternehmen, die auch für die durchschnittliche Bevölkerung finanziell erschwingliche Schallplatten und Abspielgeräte produzierten. Durch technische Verbesserungen wurde die Klangqualität allmählich gesteigert, so dass sich Musiker für das neue Medium interessierten und den Konzernen zu großen Gewinnen verhalfen, so z. B. der italienische Sänger Enrico Caruso (1873–1921).

Der Schallplatte folgte die elektromagnetische Aufzeichnung auf Tonband und Tonbandkassette in analoger Form. Durch Tonbandaufnahmen gab es die Möglichkeit, Aufnahmen wiederholt abzuspielen und so exakter zu transkribieren. Inzwischen hat der Computer neue Möglichkeiten eröffnet. Seit den 1980er Jahren die alten Medien allmählich verdrängt von digitalen Aufzeichnungsverfahren.

Die Möglichkeit, Musik aufzunehmen und zu konservieren, führte zur Gründung von Klangarchiven. Das Berliner Phonogramm-Archiv wurde 1900 von Carl Stumpf gegründet und nach dessen Tod von Erich von Hornbostel übernommen. Sein Schwerpunkt liegt auf der außereuropäischen Musik.

Carl Stumpf (1848–1936) war Psychologe und Musikforscher (Musikpsychologie). Er gilt als der Begründer der Vergleichenden Musikwissenschaft, später Musikethnologie oder Ethnomusikologie genannt.

Erich von Hornbostel (1877–1935) studierte Chemie, Physik und Philosophie; widmete sich nach dem Studium in Berlin psychologischen und musikwissenschaftlichen (insbesondere tonpsychologischen) Arbeiten. Er war Assistent Carl Stumpfs am psychologischen Institut. 1906–33 war er Leiter des Berliner Phonogramm-Archivs. Emigrierte 1933 in die USA, ließ sich jedoch bald in England (Cambridge) nieder, wo er 1935 starb.

Das Wiener Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften wurde 1899 gegründet; An erster Stelle der Aufnahmebereiche des Wiener Archivs standen Sprachen, sodann die Sammlung von Musikvorträgen wilder Völker, deren Musik nur selten notiert war, schließlich Stimmporträts berühmter Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Kunst. Etwas später kamen noch zoologische, medizinische und umweltbezogene Aufnahmen dazu. Das Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften war und ist ein interdisziplinäres Institut. Die Sammlungen im Phonogrammarchiv kamen überwiegend durch Feldforschungen zustande. Schon in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts gab es Sammelergebnisse aus vielen Teilen Europas, aus Südamerika, Asien und Ozeanien, aus Afrika und Grönland. Auch mit dem 1904 gegründeten Österreichischen Volksliedunternehmen – nach dem Zweiten Weltkrieg Österreichisches Volkliedwerk genannt – gab bzw. gibt es eine gelegentliche Zusammenarbeit.

Eines der Hauptprobleme der Schallarchive ist die Kurzlebigkeit von Tonträgern. Viele Musikarchive sind heute damit befasst, ältere Aufnahmen durch Digitalisieren zu retten. Aufgrund unzureichender technischer Ausstattung und mangelnder personeller Besetzung sind diese Arbeiten oft ein Wettlauf gegen die Zeit (Berlin 2006). Das notwendige regelmäßige Kopieren auf immer neue digitale Datenträger sowie eine fortwährende Optimierung von Dokumentation, Konservierung und öffentlichem Zugriff sind letztlich jedoch weniger technische Probleme als finanzielle.

Volksmusik ist funktionale Musik, Gebrauchsmusik: d. h. sie ist in bestimmte außermusikalische Zusammenhänge (Bräuche, Rituale) eingebunden. Die Schalldokumentation vermag nur Ausschnitte davon zu erfassen und trennt die Musik von ihrem Kontext. Um jedoch Volksmusik „in ihrer vielschichtigen Semantik zu erfassen, muß sie im funktionellen Gesamtzusammenhang dokumentiert werden“ (Stockmann 1992, S. 30). Deshalb wurde schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine zusätzliche bildliche und filmische Dokumentation ins Auge gefasst. Die Filmtechnik wurde seit den dreißiger, stärker noch seit den fünfziger Jahren zum festen Bestandteil ethnomusikologischer Dokumentation.

 

Wandervogel und Jugendbewegung bis 1933

Literatur (Auswahl)

Farin, Klaus (2001): generation kick.de. Jugendsubkulturen heute. München.

Feuchter, Anne (1986): „Und singen wir ein frisches Lied und tanzen einen Reigen“. Volkslied und Volkstanz in der Wandervogelzeit. In: Schock und Schöpfung. Jugendästhetik im 20. Jahrhundert. Darmstadt und Neuwied. S. 417–419.

Keupp, Dorothea (1977): Musik der 20er Jahre. In: Weimarer Republik. Hg. vom Kunstamt Kreuzberg und Institut für Theaterwissenschaft der Universität zu Köln. Berlin.

Klement, Carmen: Freizeit ist Not. In: Schock und Schöpfung. Jugendästhetik im 20. Jahrhundert. Darmstadt und Neuwied 1986. S. 332–337.

Lehnert, Detlef (1986): Mietskasernen-Realität und Gartenstadt-Träume. Zur Wohnsituation Jugendlicher in Großstädten der 20er Jahre. In: Schock und Schöpfung (s.o.). S. 338–341.

Linse, Ulrich (1986): Die Freiluftkultur der Wandervögel. Ebd. S. 398–406.

Mogge, Winfried (1986): „Wir sind dazu verdammt, zu spät gekommen zu sein...“ Eberhard Koebel und die Deutsche Jungenschaft. Ebd. S. 361–366.

Peukert, Detlev J.K.: Der verbeamtete Wandervogel. Ebd. S. 342–344.

 

Die Jugendbewegung begann um 1900 mit dem Wandervogel, der bis 1914 datiert wird. Ab 1918, nach dem Ersten Weltkrieg, spricht man von Bündischer Jugend oder Jugendbewegung.

Ca. 1890 gründete der Stenographielehrer Hermann Hoffmann aus seinem Stenographen-Schülerverein am Berlin-Steglitzer Gymnasium Wandergruppen. Im Milieu der Großstadt Berlin, die vor allem in den zwanziger Jahren für alternative Lebensformen relativ offen war, konnten sich eigenständige Jugendkulturen am besten entfalten. Wandervogel und Jugendbewegung waren typisch städtische Erscheinungen.

Nach Hoffmanns Weggang aus Steglitz übernahm der Primaner Karl Fischer (1881–1941) diese Gruppen, die er seit 1901 Wandervogel nannte.

Fischer, der nach der Schulzeit Jura studierte, umging geschickt das in der Kaiserzeit herrschende Verbot, dass Jugendliche eigene Vereine gründeten: Er brachte einige angesehene Männer aus Steglitz zusammen, die seinen Plänen wohlwollend gegenüberstanden. Diesen „Elternausschuss“ präsentierte er dann der Schule als Verein. Dessen Aufgaben beschränkten sich im Wesentlichen auf die finanzielle Unterstützung. Er war nur ein Aushängeschild, um die Bedenken der Schulbehörde gegen den Wandervogel zu zerstreuen. Die Schüler selbst führte Fischer in einem Scholarenbuch. Sie galten nicht als Vereinsmitglieder, obwohl sie den Wandervogel ausmachten. Fischer entschied darüber, wer in das Scholarenbuch aufgenommen wurde. Es war nicht leicht, in seinen Kreis aufgenommen zu werden. Später wurde sein autokratischer Führungsstil kritisiert. Viele Querelen führten schließlich dazu, dass Fischer sein Amt niederlegte.

Der Wandervogel zersplitterte in zahlreiche Bünde, die oft heftig miteinander konkurrierten. Es entstanden z. B. Gruppierungen überzeugter Vegetarier oder Abstinenzler. Geteilter Meinung war man auch über die Rolle der Mädchen. Im Wandervogel, Deutscher Bund, den Hans Breuer leitete, wurden sie anerkannt.

In wenigen Jahren hatte sich der Wandervogel, von Berlin-Steglitz ausgehend, im gesamten deutschsprachigen Raum verbreitet. 1912 schlossen sich im Wandervogel e.V. die verschiedenen Bünde größtenteils wieder zusammen. Doch der Erste Weltkrieg bewirkte eine starke Zäsur.

Im Mittelpunkt des Wandervogels standen Fahrten, bei denen man im Freien oder auf einem Heuboden kampierte. Man wollte der Großstadt entfliehen. Die Faszination solcher Fahrten musste besonders groß sein zu einer Zeit, als es noch kaum Tourismus gab und die Mehrzahl der Menschen selten verreiste. Viele Wohnungen waren düster. Die Epoche der Reichsgründung von 1871 bis in die 1920er Jahre war gekennzeichnet durch eine große Wohnungsnot breiter Bevölkerungsschichten (vgl. Lehnert 1986). Die Armen lebten in den Städten in tristen, hohen Mietskasernen mit dunklen Hinterhöfen. In winzigen Zimmern wohnte eine sechs- bis achtköpfige Familie. Entfaltungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche gab es nicht. Aber auch noch in späteren Jahren blieb für große Teile der Bevölkerung die Wohnungsknappheit. In der Zeit vor dem Kriegsausbruch 1914 bis in die zwanziger Jahre gab es fast keinen Wohnungsneubau. Die bestehenden Häuser waren meist renovierungsbedürftig (Lehnert 1986, S. 338), ihr hygienischer Zustand schlecht. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und dem Ende der Kaiserzeit hatten die nunmehr regierenden demokratischen Parteien sozialreformerische Ziele. Es gab u. a. einige architektonische Musterprojekte: Siedlungen u. a. mit Wohnraum und Balkon zur Sonnenseite, eigenem Bad und WC, mit Grünanlagen und Kinderspielplätzen. Doch nur etwa ein Zehntel der Bevölkerung konnte in solche Neubauten umziehen, die außerdem wegen ihrer hohen Mieten den mittleren Angestellten und Beamten und den gehobenen Facharbeitern vorbehalten blieben.

Der Wandervogel huldigte dem (romantisierten) Vorbild der fahrenden Scholaren des Mittelalters und der reisenden Handwerksburschen. Deren Dasein entsprach dem Ideal eines wilden, natürlichen, von bürgerlichen Zwängen befreiten Lebens. Die Vorstellungen des Wandervogels richteten sich gegen die Elterngeneration und deren bürgerliche Normen, auch gegen das damalige Schulsystem.

Die wilhelminischen Oberschichten reagierten zunächst schockiert auf die Gründung des Wandervogels. Zu Beginn trat die Bewegung anscheinend recht unkonventionell in ihrem Gebaren und ihrer Kleidung auf, von vielen wurde sie als „anarchisch“ empfunden (Farin 2001, S. 36) – oder handelte es sich lediglich um Projektionen negativer Vorurteile? Jedenfalls scheint der Wandervogel sehr bald die Zustimmung der Eltergeneration gefunden zu haben, der viel daran gelegen war, dass die Jugendlichen ihre Freizeit in einem geordneten Rahmen verbrachten – dies vor allem auch angesichts des wirtschaftlichen Elends nach dem Ersten Weltkrieg und der damit verbundenen Verwahrlosung der Jugend.

Als eines der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte des Wandervogels wird immer wieder das Treffen Jugendlicher 1913 auf dem Hohen Meißner, einem ca. 750 Meter hohen Berg im nordöstlichen Hessen, Nähe Kassel, erwähnt. Dort wurde die folgende Direktive formuliert: „Die freideutsche Jugend will ihr Leben nach eigener Bestimmung, vor eigener Verantwortung in innerer Wahrhaftigkeit gestalten.“

Demgegenüber wird in neueren Untersuchungen oft die Auffassung vertreten, große Teile der Jugendbewegung seien „alles andere als autonom“ gewesen. „Vielmehr wurde [sie] von erwachsenen Pädagogen zur Ausfüllung der ‚Kontrollücke zwischen Schulbank und Kasernentor‘ inszeniert. Die Freizeitgestaltung in der Jugendgruppe war hier nichts anderes als die Fortsetzung der Schule mit anderen Mitteln [...]. Jugendlichkeit in solchen Gruppen gestaltete sich nach dem Wunschbild der Pädagogen, als beaufsichtigter Lernprozeß“ (Peukert 1986, S. 343).

Die Vorstellungen von Wandervogel und Jugendbewegung waren weitgehend geprägt von „kulturpädagogischen Jungpädagogen“ (Peukert 1986, S. 343). Mit ihnen verbanden sich viele pädagogische Reformbewegungen. So wurden beispielweise Freie Schulen und Landerziehungsheime gegründet.

Die gesamte Jugendbewegung vor 1933 stand im Spannungsfeld zwischen Autonomie und Heteronomie. Im NS-Staat wurde diese Ambivalenz weitgehend aufgelöst durch die Zwangeingliederung in die NS-Formationen. Doch auch die staatlichen Jugendorganisationen stellten noch „eine Art Gegenautorität gegen schulische und familiale Kontrollansprüche“ dar (Peukert 1986, S. 344).

In späterer Zeit gab es eine Vielzahl unterschiedlicher, verschieden ausgerichteter, oft miteinander rivalisierender Gruppen, die z. Tl. Auch autoritäre Strukturen hatten.

Die anfängliche Befürchtung, im Wandervogel verstoße man gegen sexuelle Tabus, bewahrheitete sich nicht; dies, obgleich sich der Wandervogel nach 1900 mit Körperkulturbewegungen verband, denen das Bedürfnis zugrunde lag, sich von körperlichen Fesseln zu befreien und zur Natürlichkeit zurückzukehren. Die Kleidung musste bequem sein: Stehkragen und Manschetten verschwanden, ebenso Korsett, Stöckelschuhe, ausladende Hüte u. dgl. Am extremsten äußerte sich der „Schrei“ nach „Licht, Luft, Sonne“ (Linde 1986, S. 398) bei den Nudisten, die alle Hüllen fallen ließen. Doch war diese Nacktkultur anti-erotisch. „Der Nudismus brachte das Unerhörte zuwege, die Hüllen öffentlich fallen zu lassen und gleichzeitig das Nackte zu entsexualisieren“ (Linse 1986, S. 399). Ein zentraler Begriff der Körperkulturbewegungen war der der „Körperstählung“ (ebd.). Die asketische Körperstählung galt als Mittel gegen „krankhafte Sinnlichkeit“. Man mied u. a. Alkohol und Sexualität und propagierte eine spartanische, asketische, abstinente Haltung: Wanderungen und Sport dienten der Selbstdisziplinierung. Mit dem Verzicht auf Alkohol und Nikotin grenzte man sich u. a. auch gegen die männerbündischen studentischen Verbindungen ab, in denen Alkoholexzesse an der Tagesordnung waren.

Mädchen waren anfänglich nicht am Wandervogel beteiligt. Das Verhältnis zwischen Jungen und Mädchen sollte auch später „kameradschaftlich“, d. h. entsexualisiert sein.

„Trotz allen Geredes vom ‚Generationenkonflikt’ engagierten sich die Wandervögel in erster Linie nicht gegen die Eltergeneration, sondern für das Recht der Jungen auf eigene Freiräume und Geselligkeitsformen. Sie suchten Distanz zu den Alten, aber nicht Opposition“ (Farin 2001, S. 38).

Als einen der Gründe für das gebremste Autonomiestreben der Jugend nennt Farin deren wirtschaftliche Abhängigkeit von der Elterngeneration. „Bafög gab es noch nicht, und ArbeiterInnen mit eigenem Einkommen waren unter den bürgerlichen Wandervögeln rar“ (Farin 2001, S. 37). Es gab weder ein frei verfügbares Taschengeld noch Ferienjobs. Um sich die Freizeitkleidung und Accessoires, mit denen man sich von der Welt der Erwachsenen abzugrenzen versuchte, und die Wanderungen, Reisen u. a. Freizeitaktivitäten leisten zu können, blieb man auf die finanzielle Unterstützung der Elterngeneration angewiesen.

In der Tendenz des Wandervogels zu körperlicher und geistig-moralischer Selbstdisziplinierung sehen manche Kritiker ideologische Gemeinsamkeiten mit nationalsozialistischen Vorstellungen von Wehrertüchtigung durch Sport und Kraft durch Freude. Tatsächlich marschierten viele idealistische Wandervogel-Jugendliche mit naivem Patriotismus und „erlebnishungrig in die ‚Stahlgewitter’ des Ersten Weltkriegs“ (z. B. Farin 2001, S. 39).

Ideelle Gemeinsamkeiten mit völkischen und nationalistischen Gruppierungen drücken sich u. a. in vielen Wandervogel-Liedern aus: In Landsknechts- und Soldatenliedern werden Kampf und Tod häufig verherrlicht. Im Krieg glaubte man die Gegensätze und Konflikte zwischen den sozialen Klassen zugunsten einer „Volksgemeinschaft“ ausgelöscht. Im Vorwort der Kriegsauflage des Zupfgeigenhansl von 1915 schrieb dessen Herausgeber Hans Breuer:

„Der Krieg hat dem Wandervogel recht gegeben, hat seine tief nationale Grundidee los von allem Beiwerk stark und licht in unsere Mitte gestellt.

Wir müssen immer deutscher werden. Wandern ist der deutscheste aller eingeborenen Triebe, ist unser Grundwesen, ist der Spiegel unseres Nationalcharakters überhaupt.

Und lasst Euch nicht irre machen! Jetzt erst recht gewandert! Erwandert euch, was deutsch ist.“

Viele Wandervögel zogen voller patriotischer Begeisterung in den Krieg; viele – unter ihnen auch Breuer – kamen dabei um.

„Zwar hatte der Wandervogel durchaus den Anspruch einer ‚klassenlosen Jugendbewegung’, doch in der Realität blieben die Ideen und Ideale der Wandervögel eng ihrer eigenen sozialen Herkunft verbunden, und Arbeiterjugendliche fanden nur sehr selten den Weg in ihre Reihen“ (Farin 2001, S. 40). Letzteren fehlte es an Freizeit. In den zwanziger Jahren betrug die wöchentliche Arbeitszeit mehr als fünfzig Stunden (genauere Angaben s. Klement 1986, S. 334). Urlaub war knapp bemessen: Fast ein Viertel der Jugendlichen hatte gar keinen Urlaub und nur 15% hatten einen Jahresurlaub von mehr als acht Tagen (s. Klement 1986, S. 335). Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs waren nicht nur viele Erwachsene, sondern auch Jugendliche arbeits- und mittellos. Selbst wenn sie genügend Zeit gehabt hätten, so wären sie dennoch nicht in der Lage gewesen, Freizeitaktivitäten zu finanzieren.

Darüber hinaus waren den Arbeiterjugendlichen die Umgangsformen und der Lebensstil der Mittelschichtjugendlichen, die den Wandervogel prägten, fremd.

In den zwanziger Jahren entstand eine proletarische Variante des Wandervogels: die Wilden Cliquen, eine autonome Jugendsubkultur, die sich vom bürgerlichen Wandervogel abgrenzte, ebenso von der Hitlerjugend und auch von der eigenen Stammkultur (siehe dazu Farin 2001, S. 40 f.). Zu ihnen gehörten u. a. die Edelweißpiraten.

Nach dem Ersten Weltkrieg ging aus dem Wandervogel die Jugendbewegung hervor. Es entstanden verschiedene Gruppen: die Bündische Jugend, religiöse Gruppen (z. B. Quickborn), weltbürgerlich-pazifistische und sozialistische Gruppen (z. B. die Falken).

Allen Gruppen gemeinsam war die Suche nach gemeinschaftlichen Bindungen außerhalb von Schule und Elternhaus. Zu den wichtigsten gemeinsamen Aktivitäten gehörten: Wandern und Fahrten (auch ins Ausland) unternehmen, das Singen von Volksliedern, Volkstänze, Laienspiel. Zu den Gemeinschaftsritualen zählten auch das Schlafen auf Heu oder Stroh (völlig unverständlich für die Landbevölkerung!) und das gemeinsame Kochen (Linde 1986, S. 401).

Für diese besonderen Aktivitäten wurden bestimmte Ausrüstungsgegenstände entwickelt. Den Bedarf daran deckten eigene Wirtschaftsunternehmen. So enthalten Zeitschriften des Wandervogels Werbung verschiedener Firmen, etwa für Zupfgeigen, Kochgeschirr, Rucksäcke, Zelte, Spirituskocher u. v. a. Die Firma Maggi warb gern für ihre praktischen Suppenwürfel, deren Nährwert jedoch umstritten war und heiß diskutiert wurde (Linse 1986, S. 405).

Der Wandervogel traf sich mit verschiedenen pädagogischen Reformbestrebungen der Zeit um 1900, z. B. denen des Pädagogen Gustav Wyneken (1875–1964), der ca. 1900 mit P. Geheeb Landerziehungsheime gründete und 1906 die Freie Schulgemeinde Wickersdorf bei Saalfeld (Thüringen) und die Odenwaldschule. Zu deren Prinzipien gehörten Schülermitverantwortung und -mitverwaltung und Koedukation. Landerziehungsheime waren auf dem Lande gelegene Internatsschulen der Sekundarstufen in freier Trägerschaft, die Unterricht und Erziehung im Sinne sozialen Lernens integrieren wollten.

Der Wandervogel entwickelte ein eigenes Liedrepertoire. Am Steglitzer Gymnasium sang der Musiklehrer Max Pohl mit seinen Schülern alte Volkslieder – an damaligen Schulen etwas Außergewöhnliches! –, die er in den Liedsammlungen von Rochus von Liliencron, Franz Magnus Böhme und Max Friedlaender entdeckt hatte. Zu Pohls Schülern gehörte Hans Breuer (1883–1918), der 1909 den Zupfgeigenhansl, das wichtigste Liederbuch der Jugendbewegung, herausgab. Die erste Auflage umfasste 500 Exemplare. Es folgten zahlreiche Neuauflagen. Bis 1933 wurde der Zupfgeigenhansl in einer Auflage von über einer Millionen Exemplaren verbreitet. Breuers wichtigste Quellen waren der Deutsche Liederhort von Ludwig Erk/ Franz Magnus Böhme und die Sammlung Deutsche Volkslieder mit ihren Originalweisen von Kretzschmer/ Zuccalmaglio.

Breuers Sammlung löste das Erscheinen weiterer Liederbücher aus. Es entstand im Wandervogel ein großes Liedinteresse, das auch zu einer regen Sammeltätigkeit führte. Es entwickelte sich auch ein neuer Liedtypus: Neuschöpfungen aus dem Geist und im Stil alter Volkslieder, z. B. „Horch, Kind, horch, wie der Sturmwind weht“, „Wir sind des Geyers schwarze Haufen“.

Horch, Kind, horch, wie der Sturmwind weht bezieht sich auf den Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) und wird manchmal als ein „sehr altes“ Lied aufgefasst und dem 17. Jahrhundert zugeordnet. Tatsächlich verfasste Ricarda Huch (1864–1947) den Text, und die Melodie wurde in der Jugendbewegung hinzugefügt.

Wir sind des Geyers schwarzer Haufen  ist ebenfalls eine historisierende Neuschöpfung aus der Jugendbewegung nach dem Ersten Weltkrieg. Es verwendet Teile eines älteren Gedichts aus dem späten 19. Jahrhundert (Ich bin der arme Kunrad) und eine Melodie von Fritz Sotke aus dem Jahr 1919. Insgesamt hat das Lied zwölf Strophen, jedoch enthalten die Liederbücher meist gekürzte Fassungen.

Das Lied bezieht sich auf den Bauernkrieg 1524/25, in dem sich süd- und mitteldeutsche Bauern erhoben. Sie forderten Einschränkung ihrer Frondienste und Lasten und z. Tl. eine Neuordnung des Reiches. Die Auseinandersetzungen standen auch im Zeichen der Reformation. Zu den Führern des Bauernkrieges gehörten Thomas Müntzer, Florian Geyer und Götz von Berlichingen. Der Schwarze Haufen war ein Bauernheer im Odenwald, das unter der Führung des Edelmanns Florian Geyer stand. Der hatte den Trupp von 100–200 Mann u. a. mit schwarzen Uniformen ausgerüstet. – Die Taten des Schwarzen Haufens und insbesondere Florian Geyers wurden im Laufe der Zeit idealisiert und besonders in der deutschen Romantik glorifiziert.

Beliebt bei den Wandervögeln waren Lieder mit Idolen wie Soldaten, Landsknechten, Seeräubern und fahrenden Schülern. Die bewunderten Idole suchte man überwiegend in der Vergangenheit.

Außerdem gab es einen sentimentalen Liedtypus, dessen „Helden“ verachtete, einsame Menschen waren: Zigeuner, Landstreicher (z. B. Lenaus Drei Zigeuner fand ich einmal). Lieder solcher Art und Thematik entstanden auch neu. Im Jargon hießen sie Klotzlieder. Einer der damals erfolgreichsten Komponisten neuer Lieder war Hans Heeren (geb. 1893).

Drei Zigeuner fand ich einmal: Text von Nikolaus Lenau (1802–1850); österreichischer Schriftsteller des Biedermeier; Melodie von Th. Meyer-Steineg 1911). Romantisierung des Zigeunerlebens, das als ungebunden, frei und als Gegensatz zum bürgerlichen Dasein idealisiert wird. Diese Idealisierung fand sich bereits in der deutschen Romantik, der der Dichter Lenau ja auch entstammt.

Viele Lieder des Wandervogels und der Jugendbewegung entstammten den benachbarten europäischen Ländern, wie Im Frühtau zu Berge aus Schweden, Zogen einst fünf wilde Schwäne aus Litauen und Hab’ mein Wage vollgelade aus den Niederlanden. Die nach 1918 stark einsetzenden Auslandsfahrten der Wandervögel förderten die Internationalität des Liedrepertoires.

Gesungen wurde vor allem in der Gruppe: beim Wandern, beim Tanzen, zur Unterhaltung etc. Der Gesang wurde instrumental begleitet. Unter den Instrumenten der Wandervogelbewegung dominierten die Gitarre („Zupfgeige“) und die Laute (eigentlich eine Gitarre mit gewölbtem Rücken, eine Mischform zwischen Laute und Gitarre). Viele Gitarrenschulen erschienen. Wiederentdeckt wurde in der Jugendmusikbewegung auch die Blockflöte. Peter Harlan lernte sie auf einer Englandfahrt 1925 kennen und versuchte sie nachzubauen. Es entstanden viele Volksliedbearbeitungen mit z. Tl. anspruchsvollen Instrumentalsätzen. Sie fanden durch Veröffentlichungen in Liederbüchern, im Rundfunk und auf Schallplatte oft weite Verbreitung.

Auch Volkstänze wurden „als brauchbares Element für die Gruppenkultur“ (Feuchter 1986, S. 418) entdeckt. Sie waren dazu geeignet, Mädchen in das Wandervogelleben zu integrieren. Volkslied und Volkstanz sollten auf alte Werte aufmerksam machen und Operetten, Schlager, zeitgenössische Unterhaltungsmusik und Gesellschaftstänze vertreiben.

Es gab aber auch Kritik an der Überbewertung von Volkslied und Volkstanz: Sie lenkten von den gegenwärtigen Problemen ab und verhinderten die Entwicklung einer zeitgemäßen Jugendkultur (Feuchter 1986, S. 418).

Nach dem Ersten Weltkrieg wurden u. a. viele neue Volkslieder geschrieben. Vertonungen von Texten des Dichters Hermann Löns fanden großen Anklang. Es entstand eine eigene Jugendtanzbewegung.

Neben der Jugendbewegung entstand die Jugendmusikbewegung als deren spezifisch musikalische Ausprägung. Sie führte zur Herausbildung vieler musikalischer Ensembles: Lautengilden, Singkreise, Kammerchöre, die – ausgehend von Volksliedsätzen aus alter und neuer Zeit – auch Elemente mittelalterlicher Polyphonie und Barockmusik aufgreifen.

Zu Beginn der Weimarer Republik gab es an den Schulen kaum einen geregelten Musikunterricht, und den Erwerb eines Musikinstruments und private Unterrichtsstunden konnte sich der größte Teil der Bevölkerung finanziell nicht leisten. Das Ziel der Jugendmusikbewegung war der Aufbau eines neuen Musiklebens, an dem jeder partizipieren könne. Ein zentraler Begriff der Jugendmusikbewegung war der der „Gemeinschaftsmusik“. Darunter wurde eine Musik verstanden, die in der „Gemeinschaft“ produzierbar, reproduzierbar und von ihr rezipierbar war. In dieser Idealkonstruktion der „Gemeinschaftsmusik“ ist die Forderung nach Selbst-Musizieren gegenüber dem bloßen Rezipieren im Konzertsaal enthalten sowie die Ablehnung der im Musikleben dominierenden Musik des 19. Jahrhunderts, in der dem Subjekt eine zentrale Bedeutung beigemessen wurde. Dagegen wurde alte Musik gesetzt, die nach Auffassung der Jugendbewegung nicht ein Subjekt widerspiegelt, sondern eine – vermeintlich intakte – Gemeinschaft vergangener Zeiten.

Die Wickersdorfer Musikbewegung war eine der wichtigsten Strömungen der Jugendmusik. In der von Gustav Wyneken gegründeten Freien Schulgemeinde wirkte seit 1906 August Halm (1869-1929) auf musikalischem Gebiet. Halms Schüler Ernst Kurth (1886-1946) setzte diese Tradition fort.

Eine zentrale Gestalt der musikalischen Jugendbewegung bzw. Jugendmusikbewegung war Fritz Jöde. Er strebte eine Demokratisierung des Musiklebens ein. Aktives Musizieren sollte für alle sozialen Schichten möglich sein. Sein Ziel war die Errichtung einer neuen Musikkultur, in der der „Riss zwischen Volk und Musik“ geschlossen werden könne, indem Formen des Musizierens gefunden wurden, die allen ohne besondere Vorkenntnisse ein aktives Mittun ermöglichten, und indem Musikinstrumente entwickelt wurden, die für jeden finanziell erschwinglich waren – so die in den zwanziger Jahren entwickelte Blockflöte.

Jödes künstlerische Vorstellungen richteten sich u. a. gegen das Virtuosentum, die Mechanisierung, Industrialisierung und Vermarktung von Musik, auch gegen die gesellschaftliche und künstlerische Zersplitterung und Spezialisierung. Demgegenüber wurden das Gemeinschaftliche und „Organische“ in der Musik betont. Offene Singstunden dienten der Volksliedpflege; die als Waffe im Kampf gegen den Schlager verstanden wurde. Zur Ausbreitung des Jugendmusikgedankens trugen Singtreffen, Schulungswochen und Lehrgänge bei. Auf Anregung Jödes entstanden Jugendmusik- und Volksmusikschulen als Ausbildungsstätten für elementare Musikübung (Singen, rhythmische Erziehung, elementares Musizieren). Sie trugen zur Überwindung der Spaltung von Laien und Fachmusikern bei. Seit 1919 bildeten sich Musikgruppen im Sinne der Musikpflege Jödes, später „Musikantengilden“ genannt.

Gefördert wurden Jödes pädagogische Reformen von politischer Seite. In den Jahren 1918 bis 1932 arbeitete Leo Kestenberg als Musikreferent im Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung. Unterstützung erhielt Kestenberg durch den Orientalisten Carl Heinrich Becker, der im Verlauf der zwanziger Jahre mehrmals Kultusminister war. Zu ihren Zielen gehörten die Volksbildung, d. h. die Bildung aller Schichten des Volkes, die Öffnung der kulturellen Institutionen für die gesamte Bevölkerung und die Schaffung von Bildungseinrichtungen. – Kestenberg wurde 1932 seines Amtes enthoben. Er war Jude und aktives Mitglied der SPD. 1933 ging er ins Exil.

Entscheidend für die Musikerziehung der zwanziger Jahre wurde die Kestenberg-Reform. Sie betraf den gesamten Ausbildungsbereich Musik: von der musikalischen Früherziehung bis zur Ausbildung an Musikhochschulen und Akademien. Kestenbergs Denkschrift über die gesamte Musikpflege in Schule und Volk erschien 1924 und wurde nach und nach durch Erlasse des Ministeriums verbindlich gemacht. Sie formulierte erstmals eine durchgehende Konzeption der Musikerziehung. Es wurden Lehrpläne für die einzelnen Alterstufen entwickelt. Der Musik- wie auch der Kunsterziehung wurde in der Schule ein gleichberechtigter Platz neben den wissenschaftlichen Fächern zugewiesen. Eine Studienordnung für Musikerzieher wurde verbindlich; bisher hatte es auf diesem Gebiet anarchische Verhältnisse gegeben.

Die Reformen Kestenbergs orientierten sich an der Jugendbewegung. Deren Vorstellungen begannen die Lehrpläne der öffentlichen Schulen zu prägen. Sichtbar wurde die Verbindung von Schul- und Jugendmusik durch die Berufung von Fritz Jöde an die Staatliche Akademie für Kirchen- und Schulmusik in Berlin, die 1923 erfolgte. 1930 wurde innerhalb der Akademie ein Seminar für Volks- und Jugendmusikpflege eingerichtet.

Das schulische Liedrepertoire wurde nach und nach durch die Jugendbewegung beeinflusst. Zuvor dominierte ein aus dem 19. Jahrhunderts überliefertes nationalistisches Liedrepertoire. Dieses ideologische Liedgut verschwand allmählich, ältere Volkslieder wurden ins schulische Repertoire aufgenommen.

Einfluss gewann die Musikantengilde auch auf das zeitgenössische Musikschaffen. Komponisten, die sich in den Dienst der musikalischen Jugendbewegung stellten, waren u. a. Cesar Bresgen, Hermann Erpf, Paul Hindemith, Armin Knorr, Felicitas Kukuck, Jens Rohwer, Heinrich Spitta, Kurt Thomas und Ludwig Weber. Der Verlag der Musikantengilde war der Georg Kallmeyer-Verlag in Wolfenbüttel (nach 1945 Möseler-Verlag).

Finkensteiner Bund: 1923 führte der Volksliedforscher Walther Hensel in der Waldsiedlung Finkenstein (bei Mährisch-Trübau) die erste Singwoche durch. 1924 begründeten Richard Poppe, Karl Vötterle u. a. Freunde Hensels den Finkensteiner Bund, in dessen Mittelpunkt die Musikerziehung stand. Singwochen, Lehrgänge, Jugendlager etc. wurden veranstaltet. Besonders gepflegt wurden Volkslied, Volksmusik und Volkstanz. Dabei galt die „völkische Idee“ als verpflichtend. Hensels Liedpflege richtete sich u. a. gegen das sentimentale „Schein-Volkslied“ des 19. Jahrhunderts. Seit 1924 gab Hensel die Finkensteiner Blätter heraus. Der offizielle Verlag des Finkensteiner Bundes war der Bärenreiter-Verlag.

Großen Einfluss gewann der Finkensteiner Bund auch auf die evangelische Kirchenmusik, die eine grundlegende Erneuerung erlebte. 1929 Gründung der Zeitschrift Musik und Kirche. Neuentdeckung der Werke von Heinrich Schütz; Gründung der Neuen Schütz-Gesellschaft 1930 u. a. durch Karl Vötterle und Hans Joachim Moser; zahlreiche Neuausgaben von Werken Schütz’ im Bärenreiter-Verlag. Der Finkensteiner Bund war auch an der Entwicklung des Posaunenchorwesens beteiligt (Wilhelm Ehmann); ebenso an der Orgelbewegung, dem Instrumentenbau und der Musikforschung.

1933 wurden alle Verbände der Jugend- und Jugendmusikbewegung aufgelöst. Ein Teil wurde „gleichgeschaltet“ zu nationalsozialistischen Organisationen, nicht zur Anpassung bereite Organisationen entwickelten teils Widerstand gegen das NS-Regime. Die Singbewegungen um Fritz Jöde und Walther Hensel wurden 1934 in den Reichsbund Volkstum und Heimat eingegliedert. Der Finkensteiner Bund setzte ab 1933 seine Arbeit im Arbeitskreis für Hausmusik fort. Die übrige Jugendmusik wurde 1933–44 zum großen Teil in die Musikarbeit der Hitler-Jugend (geleitet von der Reichsjugendführung) überführt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg traten Jugendbewegung und Jugendmusik erneut in Erscheinung. Gründung einer Akademie der deutschen Jugendbewegung in Düsseldorf, Neugründung von Jugendverbänden und -organisationen. Arbeitskreis für Hausmusik und Jödes Musikantengilde (später Arbeitskreis Junge Musik) setzten ihre Arbeit fort. 1946 entstand die katholische Werkgemeinschaft Lied und Volk (Haus Altenberg).

 

Folkbewegung

Literatur (Auswahl)

Das Bürgerlied (Ob wir rote, gelbe Kragen). http://www.liederlexikon.de/.

Degenhardt, Franz Josef (1979): Kommt an den Tisch unter Pflaumenbäumen. München.

Jiddisch. In: Wikipedia

Mitscherlich, Alexander u. Margarete (1977): Die Unfähigkeit zu trauern. Grundlagen kollektiven Verhaltens. Neuausgabe München, Zürich. (1. Aufl. 1967.)

Probst-Effah, Gisela (1995): Lieder gegen „das Dunkel in den Köpfen“. Untersuchungen zur Folkbewegung in der Bundesrepublik Deutschland. Essen. (= Musikalische Volkskunde. Materialien und Analysen. Schriftenreihe des Instituts für Musikalische Volkskunde der Universität zu Köln. Hg. von Günther Noll u. Wilhelm Schepping. Bd. 12.)

Steinitz, Wolfgang (1954/1962): Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten. Berlin (DDR) Band I (1954), Band II (1962). Sonderausgabe in einem Band Frankfurt am Main 1979.

Tsen brider sajnen mir gewesn. Der besondere Humor jiddischer Musik und dessen Erscheinungsformen in Deutschland. http://www.uni-oldenburg.de/musik-for/tsenbrider.

 

Die Volksmusik war nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend zu einer Angelegenheit von Heimat- und Trachtenvereinen und Heimatvertriebenenvereinen geworden. Durch den Missbrauch in der Nazi-Zeit galt sie vielen als ideologisch anrüchig. In den 1960er Jahren entwickelte sich unter Jugendlichen eine Gegenbewegung zu dieser Art von Musikpflege: die Folkbewegung, eine musikalische Bewegung mit ausgeprägt politischen Impulsen.

In den sechziger Jahren entstanden in der Bundesrepublik Deutschland – wie auch in anderen Ländern – verschiedene jugendliche Teilkulturen. Eine davon war die Folk- und Liedermacherszene. Ihr frühes Zentrum war die Burg Waldeck im Hunsrück, die seit den zwanziger Jahren Heimstatt des Nerother Wandervogels, einer Organisation innerhalb der Bündischen Jugend, war. Die deutsche Jugendbewegung war eine der Wurzeln der Folkbewegung in der BRD. Viele ihrer bekanntesten Repräsentanten entstammten ihr, so etwa Hein und Oss Kröher, Peter Rohland, Franz Josef Degenhardt, Walter Mossmann.

In den Jahren 1964 bis 1969 wurde auf der Burg Waldeck das Festival Chanson Folklore International veranstaltet. Es gilt als das erste Open Air Festival in Deutschland und markiert den Beginn einer Festivalwelle in den 1970er Jahren. Das Waldeck-Festival entwickelte sich zu einem der zentralen Ereignisse der frühen Folkbewegung in der BRD. Die wachsende Bedeutung drückte sich u. a. in der steigenden Anzahl der Zuhörer aus: Kamen zum Festival 1964 nur 400 Besucher, so sollen es 1965 bereits 2000 gewesen sein. 1966 wurde von 6000 Zuhörern berichtet. Manche verglichen nun das Waldeck-Festival mit dem gigantischen Newport Folk Festival in den USA (bei dem es 1964 70.000 Besucher gegeben haben soll!). Bei den Waldeck-Festivals spielten die Künstler getreu der bündischen Tradition noch ohne Gagen. Für viele zahlte sich die Teilnahme aber insofern aus, als sie vom Publikum und den Medien, die an dem Festival beteiligt waren, „entdeckt“ wurden.

Die Folkszene der BRD war auch Teil einer internationalen Bewegung. Sie war beeinflusst von amerikanischen Vorbildern. In den USA war die Folksongbewegung eng verknüpft mit der Bürgerrechtsbewegung (Civil Rights Movement), die sich für die Gleichberechtigung der farbigen Bevölkerung engagierte, und mit der Bewegung gegen den Vietnamkrieg. Bekannte amerikanische Folksinger waren Pete Seeger, Joan Baez, Tom Paxton, Bob Dylan, Phil Ochs, Judy Collins.

Darüber hinaus war die Folk- und Liedermacherszene der sechziger Jahre geprägt vom französischen Chanson. Solche Einflüsse zeigten sich u. a. bei Franz Josef Degenhardt. Degenhardt schrieb in den sechziger Jahren

            Die alten Lieder

            Wo sind eure Lieder,

            eure alten Lieder?

            Fragen die aus andren Ländern,

            wenn man um Kamine sitzt

            matt getanzt und leer gesprochen

            und das highlife Spiel ausschwitzt.

            Ja, wo sind die Lieder,

            unsre alten Lieder?

            Nicht für’n Heller oder Batzen

            mag Feinsliebchen barfuß ziehn,

            und kein schriller Schrei nach Norden

            will aus einer Kehle fliehn.

            Tot sind unsre Lieder,

            unsre alten Lieder.

            Lehrer haben sie zerbissen,

            Kurzbehoste sie verklampft,

            braune Horden totgeschrien,

            Stiefel in den Dreck gestampft

            (Degenhardt 1979, Nr. 51).

Dieser Liedtext skizziert den historischen und gesellschaftlichen Hintergrund der frühen Folk- und Liedermacherszene in der BRD und ihr Verhältnis zur nationalen volksmusikalischen Tradition: Die war damals unter vielen Jugendlichen verpönt. Das deutsche Volkslied galt ihnen als textlich-musikalischer Ausdruck einer Überlieferung, die von Schulen und Jugendbünden getragen worden war und die in das Grauen des Dritten Reiches mündete. Volkslied schien diesen Jugendlichen identisch mit Gemeinschaftsgesängen, die die Wirklichkeit vernebelten und die individuelle Denk- und Kritikfähigkeit auslöschten. Demgegenüber plädierte die Folkbewegung für einen bewussten Umgang mit Liedern; sie ersetzte – zumindest am Anfang – den in der Jugendbewegung beliebten gemeinschaftlichen Gesang durch solistischen Gesang mit Gitarrenbegleitung, wobei ein wesentlicher Akzent auf der Textverständlichkeit lag.

Skepsis und Misstrauen der damaligen jugendlichen Generation richteten sich nicht nur auf Bereiche der musikalischen Überlieferung, sondern auf Tradition allgemein. Degenhardts Lied wurde 1966 geschrieben. Ein Jahr vorher hatte in Frankfurt am Main der Prozess gegen Angehörige des Vernichtungslagers Auschwitz begonnen, in dessen Verlauf bei vielen Jugendlichen Fragen nach der Vergangenheit der älteren Generation auftauchten. 1967 erschien Alexander und Margarete Mitscherlichs Buch Die Unfähigkeit zu trauern, in dem die Autoren die Ursachen jugendlicher Identitätskonflikte analysieren:

            „Nach dem Ausmaß der Katastrophe, die hinter uns liegt, kann es nicht zu einer Traditionsorientierung kommen; die Tradition war gerade das, was durch die nationalsozialistische Herrschaft am nachhaltigsten zerstört wurde, und es war zuvor schon eine höchst problematische Tradition geworden“ (Mitscherlich 1977, S. 20 f.).

Demnach hatte die bundesrepublikanische Folk- und Liedermacherszene trotz ihres internationalen Charakters auch ganz spezifische geschichtliche Voraussetzungen, die das anfangs zitierte Lied von Degenhardt andeutet: Durch den Nationalsozialismus und seine Wegbereiter wurde das Verhältnis zur volksmusikalischen Tradition als zutiefst gestört empfunden, und es schien sich dabei um ein spezifisch deutsches Identitätsproblem zu handeln. Das gespannte Verhältnis zur Tradition, repräsentiert durch die Elterngeneration, kommt etwa in Franz Josef Degenhardts Vatis Argumente zum Ausdruck.

Die eigene Liedtradition tauchte in der frühen Folkbewegung manchmal als Fragment, als Reminiszenz auf: in Degenhardts Lied Die alten Lieder als Textzitate. Die zweite Strophe enthält Anspielungen auf die beim Militär gern gesungenen Lieder Ein Heller und ein Batzen und Wildgänse rauschen durch die Nacht (vgl. Hans Baumann, Morgen marschieren wir, Potsdam 1939) sowie auf das durch Zuccalmaglio überlieferte Feinsliebchen, du sollst mir nicht barfuß gehn. Degenhardt erwähnt diese drei Lieder stellvertretend für eine Musikkultur, von der er sich distanziert.

Die Programme der Waldeck-Festivals waren sehr vielfältig: Die Folklore bildete nur einen ihrer Bestandteile; dargeboten wurden u. a. auch Chansons, Liedermacher-Songs, Kabarett, historische Lieder (u. a. des Mittelalters und der Renaissance, aber auch der 1848er Revolution). Viele ausländische Künstler traten auf.

Deutschsprachiges trat in der Folkbewegung zunächst nicht mit dem Etikett Volkslied hervor. Um diesen vorbelasteten Terminus zu vermeiden, gab es die verschiedensten begrifflichen Kreationen: Statt von Volkslied sprach man z. B. von Deutsch-Folk. Aus dem Ausland übernahm man die Begriffe Folk Music, Folksong und deren Abkürzung Folk. Zwar war die Bezeichnung Folksong während des 19. Jahrhunderts in Anlehnung an Herders Begriff Volkslied entstanden; als man sie jedoch in den sechziger Jahren bei uns übernahm, verstand man sie nicht als ein englischsprachiges Synonym, sondern als einen Gegensatz zum deutschen Volkslied, das allzu ideologieverdächtig erschien.

Einer der Initiatoren der bundesrepublikanischen Folkbewegung war Peter Rohland (1933–1966). 1962 ging er nach Paris und trat dort in Kabaretts auf. Rohland gehörte trotz der französischen Prägung zu den ersten deutschen Folklore-Sängern, die auch deutsche Lieder sangen. Anknüpfungspunkte für ein gegenwärtiges Volksliedsingen sah er in der weitgehend unbekannten, in nur wenigen Liederbüchern überlieferten Tradition demokratischer Lieder.

Die bekannteste Sammlung solcher Lieder war 1954 und 1962 in der DDR in zwei Bänden veröffentlicht worden: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten von Wolfgang Steinitz. In Steinitz’ Sammlung entdeckte Rohland u. a. das Bürgerlied (Ob wir rote, gelbe Kragen) und O König von Preußen, zwei Lieder, die wenige Jahre später im Repertoire fast jedes Folkmusikers vorkamen. Die Liedsammlung von Steinitz avancierte im Verlauf der siebziger Jahre zur „Bibel“ der deutschen Folk- und Liedermacherszene.

Das Bürgerlied (Ob wir rote, gelbe Kragen)

Ob wir rote, gelbe Kragen,

            Helme oder Hüte tragen,

            Stiefel tragen oder Schuh’;

            Oder ob wir Röcke nähen

            Und zu Schuhen Fäden drehen,

            Das tut, das tut nichts dazu.

            Ob wir können präsidieren,

            Oder müssen Akten schmieren

            Ohne Rast und ohne Ruh;

            Ob wir just Collegia lesen,

            Oder aber binden Besen,

            Das tut, das tut nichts dazu.

            Ob wir stolz zu Rosse reiten,

            Oder ob zu Fuß wir schreiten

            Fürbaß unserm Ziele zu;

            Ob uns Kreuze vorne schmücken,

            Oder Kreuze hinten drücken,

            Das tut, das tut nichts dazu.

            Aber ob wir Neues bauen,

            Oder Altes nur verdauen,

            Wie das Gras verdaut die Kuh;

            Ob wir in der Welt was schaffen

            Oder nur die Welt begaffen,

            Das tut, das tut was dazu.

            Ob wir rüstig und geschäftig,

            Wo es gilt zu wirken kräftig,

            Immer tapfer greifen zu;

            Oder ob wir schläfrig denken:

            „Gott wird's schon im Schlafe schenken“,

            Das tut, das tut was dazu!

            Drum ihr Bürger, drum ihr Brüder,

            Alle eines Bundes Glieder:

            Was auch jeder von uns tu! –

            Alle, die dies Lied gesungen,

            So die Alten, wie die Jungen,

            Tun wir, tun wir denn dazu!

            (Steinitz II 1962, Nr. 201)

 

Zum geschichtlichen Hintergrund des Liedes, das zum Themenkreis der Lieder aus der Zeit der Revolution von 1848 gehört, siehe auch Liederlexikon DVA Freiburg (http://www.liederlexikon.de/).

Von Frankreich ausgehend, breitete sich die demokratische Bewegung, die vom Bürgertum getragen wurde, über fast ganz Europa aus und erzwang Verfassungen, die mehr Freiheit garantierten. Das alte Zensuswahlrecht z. B. (ein Wahlrecht, das an den Nachweis eines bestimmten Besitzes, Einkommens oder Steuerleistung gebunden war) wurde ersetzt durch das allgemeine und gleiche Wahlrecht. – Die Kritik der Revolutionäre richtete sich gegen die Monarchie. Der französische König Louis Philippe floh nach England, und Frankreich wurde Republik. – In derselben Zeit wurden auch sozialistische und kommunistische Ideen wirksam. 1847/48 entstand das von Marx und Engels verfasste Kommunistische Manifest.

Unter dem Einfluss der französischen Politik kam es in vielen europäischen Ländern zu Unruhen. In Deutschland wurde der Ruf nach nationaler Einheit, einer Verfassung und Pressefreiheit laut. Im Mai 1848 trat die Erste Deutsche Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche zusammen. In ihr waren viele Dichter und Gelehrte vertreten, u. a. Ludwig Uhland und der Schriftsteller, Publizist und Geschichtsprofessor Ernst Moritz Arndt. Es wurde u. a. versucht, Deutschland politisch zu einigen, was jedoch erst 1871 gelang.

Der Textautor des Bürgerliedes, dessen Text in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts entstand, ist ungewiss (s. dazu Steinitz II, S. 157 ff.). Die Melodie wurde dem Lied Prinz Eugen, der edle Ritter entlehnt. Der Liedtext enthält einen Aufruf an die Bürger, die Gedanken der Französischen Revolution von 1789 auch in Deutschland zu verwirklichen, und einen Appell, sich trotz aller sozialen und ideologischen Schranken solidarisch zu verhalten..

Das Bürgerlied ist eines der Lieder, die Peter Rohland in Wolfgang Steinitz’ Sammlung Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten fand. Nachdem Rohland diese Lied in sein Repertoire aufgenommen hatte, gehörte es bald zum festen Liedbestand bundesrepublikanischer Folksänger. Es entstanden in der Folgezeit auch zahlreiche Kontrafakturen davon, die aus verschiedenen aktuellen Anlässen verfasst wurden. Das Parodie- oder Kontrafakturverfahren, das bereits in der Vergangenheit – besonders auch im Bereich des politischen Liedes – eine große Rolle spielte, wurde innerhalb der Folk- und Liedermacherszene häufig angewandt, denn ihr ging es nicht nur um die Wiederbelebung traditioneller Lieder, sondern vor allem auch um deren Gegenwartsbezug: So wurden für aktuelle Situationen oft neue Texte verfasst.

Ein weiteres traditionelles Lied, das in der Folkszene populär wurde, ist

O König von Preußen

            O König von Preußen,

            du großer Potentat,

            Wie sind wir deines Dienstes

            so übermäßig satt!

            Was fangen wir jetzt an

            in diesem Jammertal,

            Allwo ist nichts zu finden

            als Not und lauter Qual.

            Und kommt das Frühjahr an,

            Dann ist die große Hitz’,

            Da muß man exerzieren,

            Daß eim der Buckel schwitzt.

            Da muß man exerzieren

            Vom Morgen bis Mittag,

            Und das verfluchte Leben,

            Das währt den ganzen Tag.

            Vom Exerzieren weg

            Geht’s wieder auf die Wacht,

            Kein Teufel tut nicht fragen,

            Ob man gefressen hat.

            Kein Branntwein in der Flasche,

            Kein weißes Brot dabei;

            Ein schlechtes Tabakrauchen,

            Das ist der Zeitvertreib.

            Dann kommt ein’ frisch’ Parad’;

            Tut man ein falschen Schritt.

            Da fängt man an zu rufen:

            Der Kerl muß aus dem Glied!

            Patrontasche runter,

            Den Säbel abgelegt,

            Und tapfer drauf geschmissen,

            Bis er sich nicht mehr regt!

            Ihr Brüder, nehmt’s nicht Wunder,

            Wenn einer desertiert,

            Wir werden wie die Hunde

            Mit Schlägen strapleziert;

            Und fangen sie uns wieder,

            Sie henken uns nicht auf,

            Das Urteil wird gesprochen:

            Der Kerl muß Gassen lauf!

            Und wann wir Gassen laufen,

            Dann spielet man uns auf

            Mit Waldhorn und Trompeten,

            Da geht es wacker drauf;

            Da werden wir gehauen

            Von manchem Musketier,

            Der eine hat’s Bedauern,

            Der andre gönnt es mir.

            Und werden wir dann alt,

            Wo wenden wir uns hin?

            Die Gesundheit ist verloren,

            Die Kräfte sind dahin!

            Und endlich wird es heißen:

            Ein Vogel und kein Nest!

            Geh’, Alter, nimm den Bettelsack,

            Bist auch Soldat gewest!

            (Steinitz Bd. 1, 1954, Nr. 130)

Es handelt sich um ein Soldatenlied (eigentlich ein Anti-Soldatenlied), das wegen seines oppositionellen Inhalts nicht in die offiziellen Liederbücher Eingang fand. Dieser oppositionelle Charakter war aber der Grund, weshalb dieses Lied, das nach Steinitz aus der Zeit um 1840 stammt, ins Repertoire der Folkbewegung gelangte. Das Lied, das auf die Kampfbereitschaft keineswegs stimulierend wirkte, fiel im 19. Jahrhundert der Zensur zum Opfer, denn kein Verlag wagte es und kein Zensor ließ es zu, die schroffen Anklagen zu drucken. Dennoch war das Lied im 19. Jahrhundert anscheinend ziemlich bekannt, denn es ist in zahlreichen handschriftlichen Soldatenliederbüchern überliefert.

Jiddische Lieder

Zu Rohlands Themenkreisen gehörten auch jiddische Lieder. Damit beeinflusste er nachhaltig die deutsche Folkszene, die zu einer starken Wiederbelebung jiddischer Lieder führte.

Zur jiddischen Sprache: Im Mittelhochdeutschen (ca. 1050–1350) entwickelten sich in Deutschland unter den Juden besondere Ausprägungen der deutschen Sprache. Sie enthielten u. a. hebräische, aramäische, romanische und slawische Wörter. Das eigentliche Jiddisch entstand, als Juden in großer Zahl vor den Verfolgungen in Deutschland nach Osteuropa flohen. Dort vermischten sich ihre Dialekte und entwickelten sich anders als in Deutschland weiter; dazu kamen viele Entlehnungen aus slawischen Sprachen.

Mit der Massenauswanderung in die USA im 19. Jahrhundert wurde das Jiddische in den englischen Sprachraum transportiert und verändert. Noch heute wird in einigen traditionellen jüdischen Gemeinden in den USA jiddisch gesprochen. Jiddisch sprechen auch ultraorthodoxe Juden in Jerusalem.

Als Höhepunkt der jiddischen Literatur gilt das 19. Jahrhundert. In den 1920er Jahren war Jiddisch einige Jahre lang eine der Staatssprachen im sowjetischen Weißrussland. 1928 wurde das jüdische autonome Gebiet in der Sowjetunion gegründet. Die jiddische Tradition wurde durch den Holocaust großenteils zerstört.

Jiddisch benutzt ein Alphabet des Hebräischen, es gibt aber auch eine auf dem lateinischen Alphabet basierende Orthographie.

Tsen brider sajnen mir gewesn (vgl. http://www.uni-oldenburg.de/musik-for/tsenbrider)

Dieses Lied ist Ausdruck sozialer und emotionaler Misere. Die soziale Misere äußert sich unmittelbar im Text. Die Strophen berichten, wie ein Bruder nach dem anderen wegstirbt, bis am Schluss der letzte übrig bleibt und die Ursache des Sterbens genannt wird: „Sterben tu ich jeden Tag, weil zu essen hab ich nicht“. Das „rigide Aufzählungsschema“ erinnert an Lieder wie Zehn kleine Negerlein.

Historischer Hintergrund: Das Lied entstand in der Zeit der großen Emigrationswelle osteuropäischer Juden gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Damals setzt in Osteuropa die Industrialisierung ein, und die damit verbundenen wirtschaftlichen Umwälzungen machte viele brotlos, so dass nur noch die Auswanderung half.

Die emotionale Misere äußert sich nur indirekt, „indem der Sänger in jenen Augenblicken, wo politisches Denken und Handeln einsetzen könnte, sich in die Droge ‚Musik’ flüchtet und dazu laut ‚Oh weh!‘ schreit“ (http://www.uni-oldenburg.de/musik-for/tsenbrider). Das Oj! (auch mit „Ach!“ zu übersetzen) ist eine Wehklage, ein Ausruf des Entsetzens, der in zahlreichen jiddischen Liedern vorkommt.

Der Refrain kontrastiert zum Rezitativ der Strophen. Er hat im Unterschied zu den Strophen ausprägte melodische Konturen. „Der Text ‚schpil’sche mir a lidele‘ ist so etwas wie ein jiddischer Topos [...]. In höchster Not, in tiefstem Leid oder schlicht, wenn nichts mehr geht, soll die Musik zum Tanz aufspielen“ (http://www.uni-oldenburg.de/musik-for/tsenbrider) . Dergleichen kommt in vielen jiddischen Liedern vor.

Das Lied stammt anscheinend aus mündlicher Tradition. Es gibt verschiedene schriftliche Fassungen: Die erste erschien 1901 in Petersburg; in einer weiteren frühen schriftlichen Version aus dem Jahr 1911 wird die Melodie in einen Klaviersatz eingepasst.

Nach 1945 war das Lied in der BRD nicht unbekannt, aber zu einer gewissen Breitenwirkung trug in den 1960er Jahren Peter Rohland bei, der es als politisches Lied verstand. Innerhalb der bundesrepublikanischen Folkbewegung erschienen in den siebziger Jahren zwei Schallplatten mit dem Titel Jiddische Lieder: von der Gruppe Espe (1977) und von Zupfgeigenhansel (1979). Beide Gruppen bzw. Schallplatten wurden in einer „antifaschistischen Tradition“ gesehen. Für die am Ende Krieges oder unmittelbar nach Kriegsende geborenen Generationen spielten bei der Rezeption jiddischer Lieder die Erinnerung an Nationalsozialismus und Holocaust eine zentrale Rolle.

Vergleich verschiedener Interpretationen der Tsen brider

In der Interpretation von Peter Rohland (LP Peter Rohland singt jiddische Lieder) wird der solistische Gesang begleitet von Gitarre und Violine. Rohland singt das Lied relativ schnell, es wirkt dadurch nicht sentimental. Der Klageruf Oj! erscheint wenig akzentuiert. Der Refrain wird in stets gleichem Tempo gespielt; nur der letzte setzt langsam ein und steigert sich strettaartig zum Schluss. Die Strophen werden sukzessive langsamer. Einzelne Wörter werden stark betont, dadurch eine vorsichtige Kommentierung des Inhalts. „Das Stück endet kurz und prägnant mit der Andeutung eines Tanzes. Rohland versucht nicht, in den HörerInnen Gefühle von Trauer oder Mitleid hervorzurufen, das tragische Geschehen bleibt emotional ‚unkommentiert’ stehen. Die HörerInnen müssen selbst denken und fühlen“ (http://www.uni-oldenburg.de/musik-for/tsenbrider).

In der Interpretation des Duos Zupfgeigenhansel (LP Zupfgeigenhansel: Jiddische Lieder) wird der Gesang begleitet von Gitarre, Violine, Mandoline und Kontrabass (?). Die Strophen 1 bis 9 werden weitgehend erzählend gesungen. Eine sehr lange Generalpause trennt Strophe und Refrain, das Oj! kann dabei sogar entfallen. Die Strophe 10 bildet einen scharfen Kontrast zum Vorhergehenden, enthält u. a. viele Pausen. Der Schlussrefrain setzt langsam ein und steigert sich in drei Wiederholungen in ein rasantes Tempo; am Schluss ein Kehraus. Mit ihrer Version kommet Zupfgeigenhansel „einem Zeitgeist entgegen, der über der Politik die Sinnlichkeit und Ausgelassenheit nicht vergessen wollte“ (http://www.uni-oldenburg.de/musik-for/tsenbrider).

Entwicklungstendenzen der Folkbewegung

An den verschiedenen Interpretationen des Liedes von Rohland und Zupfgeigenhansel lässt sich auch eine allgemeine Entwicklungstendenz der Folkszene verdeutlichen: Der Schwerpunkt verlagerte sich zunehmend vom Text auf die Musik. Durch den Einfluss ausländischer Volksmusik und die Wiederentdeckung älterer Traditionen stieg in den siebziger das Interesse an historischen, bei uns nicht oder kaum mehr gebräuchlichen Musikinstrumenten wie Drehleier, Waldzither, Krummhorn, Dudelsack u. a. In den sechziger Jahren wurden solche Instrumente nur selten gebraucht, es dominierte damals der solistische Gesang zur Gitarrenbegleitung. Ein Schwerpunkt lag auf den Texten, die verständlich sein sollten. In den siebziger Jahren verlagerte sich der Akzent auf das Musikalische. Zentral wurden das Instrumentarium und das Arrangement.

Bei den Waldeck-Festivals lag ein starker – wenn auch nicht ausschließlicher – Akzent auf gesellschaftskritischen und politisch engagierten Liedern. Das führte am Ende der sechziger Jahre unter dem Einfluss der Studentenbewegung zu einer starken Politisierung des Festivals. 1968 war das Jahr vieler studentischer Protestaktionen, die durch politische Ereignisse (z. B. die Notstandsgesetze, den Vietnamkrieg) ausgelöst worden waren. Während des Waldeck-Festivals von 1968 traten Gruppen unter den Zuhörern auf, die politische Diskussion verlangten. Einige Teilnehmer forderten, das Singen und Musizieren zugunsten politischer Aktion aufzugeben: „Sänger werden bei revolutionären Aktionen nicht mehr benötigt [...]. Also: stellt die Gitarren in die Ecke!“ 1969 fand das letzte der großen Waldeck-Festivals statt. Danach gab es nur noch kleinere Veranstaltungen, auch noch in der Gegenwart.

Trotz dieses „sang- und klanglosen“ Endes der Waldeck-Festivals begann in den siebziger Jahren ein regelrechter Festival-Boom. Im Frühjahr 1975 wurden ca. fünfzehn Folk- und Liedermacherfestivals gezählt, für das Jahr 1977 nannte jemand 46 größere Folkfestivals, nicht eingerechnet die zahlreichen Folkabende in Clubs, Jugendzentren und Konzertsälen.

Mit der Quantität änderte sich auch die Qualität der Veranstaltungen. Auf der Burg Waldeck waren die Musiker noch unentgeltlich aufgetreten. Nur Unterkunft und Verpflegung waren für sie kostenlos. Man war gegenüber dem kommerziellen Kulturbetrieb misstrauisch, betrachtete sich als Alternative dazu. Seit den siebziger Jahren wurden viele Festivals aus städtischen Mitteln vorfinanziert. Die Musiker bezogen eine (im allgemeinen nicht hohe) Einheitsgage. Öffentliche Subventionen blieben in der Szene umstritten, weil man eine Bevormundung bei der Programmgestaltung durch die Geldgeber befürchtete. Eine solche Fremdbestimmung widersprach der Intention der Folkbewegung, eine Alternative zur Kulturindustrie und allgemein zu allen etablierten kulturellen und politischen Institutionen (dem „Establishment“) zu sein.

In den siebziger Jahren traten in der BRD viele Musiker und Musikgruppen, die zuvor schottische und irische Musik gespielt hatten, mit deutschen Liedern und Tänzen hervor. Damals setzte in der Bundesrepublik eine Irlandwelle ein. Viele Jugendliche reisten zu der Insel. An der irischen Musik bewunderten sie eine vermeintliche Ursprünglichkeit, Vitalität und Spontaneität sowie eine scheinbar ungebrochene Tradition – alles Merkmale, die sie in der eigenen Tradition verschüttet oder verloren sahen. Die Dubliners und Eddie und Finbar Furey gastierten in der BRD mit großem Erfolg. Sie lockerten ihre Darbietungen mit Witzen und Geschichten auf und animierten das Publikum zum Mitklatschen. Unter ihrem Einfluss wurden schließlich auch traditionelle deutsche Lieder im Stil schottisch-irischer Folklore interpretiert.

Innerhalb der bundesrepublikanischen Folkbewegung gab es auch eine Dialekt-„Renaissance“. Lange Zeit fristeten Mundarten im offiziellen Kulturbetrieb ein marginales Dasein. Das Jahr 1975 markiert einen Einschnitt: Dialekt drang ein in Filme, Fernseh- und Hörspiele und in die Lyrik. Auf der Bühne wurden neue Dialektstücke gespielt, die sich vom herkömmlichen volkstümlichen Genre abgrenzten.

Es kamen Dialektlieder auf, die nicht mehr eine „heile Welt“ darstellen, sondern auch die negativen Sektoren der Realität – manchmal in grotesker Verzerrung – ins Blickfeld rücken. Als einer der ersten Repräsentanten des neuen, nicht mehr „regionalchauvinistischen“ Dialektliedes gilt der Österreicher Wolfgang Ambros. Einige seiner Lieder erinnern an Gedichte von H. C. Artmann, der schon am Ende der fünfziger Jahre Mundart als Ausdrucksmittel des Makabren verwendete.

Als neuartig galt die Verbindung von Dialekt und einer nicht „bodenständigen“ Musik. Um 1970 wurde in vielen Regionen der BRD Dialekt-Blues gesungen. Musiker, die von der Beat-Welle beeinflusst waren, kopierten zunächst die bekannten angloamerikanischen Vorbilder, entwickelten dann jedoch ein Bedürfnis nach „eigenem“ Ausdruck. Vielen erschien Mundart anstelle von Englisch zu ihrer Musik passender als Hochdeutsch. Am Anfang der 1970er Jahre wurde der Neckarbrücken-Blues, gesungen von der deutschen Sängerin Erna Strube alias Joy Fleming, zum Hit.

Die Auseinandersetzungen in Wyhl am Kaiserstuhl, wo ein Kernkraftwerk geplant war, und in Marckolsheim (Elsass), wo eine Bleisulfatfabrik gebaut werden sollte, bewirkten eine Politisierung des Dialekts. Während der Platzbesetzungen durch Bürgerinitiativen entstanden zahlreiche Dialektlieder. Die Sprache, die sie verwendeten, war nicht – wie in mund-art-Produktionen – künstlerisches Ausdrucksmittel, sondern Alltagssprache eines großen Teils der protestierenden Bevölkerung. Eines der bekanntesten Lieder wurde die Umtextierung des traditionellen In Mueders Stübele von Walter Mossmann.

Bei den Auseinandersetzungen in Wyhl und Marckolsheim änderten sich Funktion und Thematik der Dialektlieder sowie die Rolle einiger Liedermacher, die zuvor nur auf Podium und Bühne aufgetreten waren. Die damaligen Ereignisse wurden oft als Beweis dafür angeführt, dass „lebendige Volkskultur“ noch in der Gegenwart möglich sei und dass die Folkszene ihr verbal oft und gern bekundetes politisches Engagement in die Tat umzusetzen vermochte.

In der damaligen Situation bedeutete Mundart auch eine Absage an nationales Denken. Im Konflikt mit den wirtschaftlichen und politischen Machtzentralen besann man sich auf regionale Zusammengehörigkeit über trennende Staatsgrenzen hinweg, eine Zusammengehörigkeit, die sich auch sprachlich äußert: Alemannisch z. B. spricht man sowohl in einem Teil Deutschlands als auch im (französischen) Elsass und der deutschsprachigen Schweiz.

Wyhl und Marckolsheim wurden Vorbilder für Protestaktionen in vielen Regionen. Auch andernorts sang man im Dialekt, dabei wurden oftmals Lieder aus Wyhl und Marckolsheim auf neue Situationen und in die Sprache der jeweiligen Region übertragen.

Dialekt wurde auch als Mittel gebraucht, einen allgemeineren, weniger auf konkrete Probleme bezogenen Protest gegen „soziale Vermassung“ und „kulturelle Gleichschaltung“ auszudrücken, denn in ihm schien ein Stück regionaler Vielfalt und Individualität zu überleben. So wurde Dialekt als Verteidigungswaffe im Einsatz für autochthone Kulturen gegen die Überflutung mit europäisch-amerikanischer Massenware gebraucht. Dies deckte sich mit dem Verständnis von Folkmusik insgesamt als Gegensatz zur vorherrschenden „Plastikmusik“ und kulturellen „Gleichmacherei“. Dialekt wurde dabei oft gegenüber der Hochsprache idealisiert. Es wurden Vorstellungen reproduziert, die seit Herder entwickelt worden waren: Mundart repräsentiere das „Echte“, „Unverfälschte“, „Ursprüngliche“ etc.

 

Folk, Chanson und Liedermacher in der DDR

Literatur (Auswahl)

Kirchenwitz, Lutz (1993): Folk, Chanson und Liedermacher in der DDR: Chronisten, Kritiker, Kaisergeburtstagssänger. Berlin.

Lammel, Inge (1975): Das Arbeiterlied. Leipzig.

Lammel, Inge (1978): Kampfgefährte – unser Lied. Berlin (DDR).

Steinitz, Wolfgang (1954/1962): Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten. Berlin (DDR) Band I (1954), Band II (1962). Sonderausgabe in einem Band Frankfurt am Main 1979.

 

Ein Teil der politischen Lieder wurde in der DDR unter den Begriff Arbeiterlied subsumiert. Das „revolutionäre Arbeiterlied“ definierte Inge Lammel als die „Erscheinungsform einer bestimmten gesellschaftlichen Entwicklungsetappe“ und ein „Kampfinstrument der Arbeiter gegen das kapitalistische Herrschaftssystem“ (Lammel 1975, S. 13). Seine Geschichte habe mit dem Aufkommen der Arbeiterbewegung in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts begonnen, der Bereich des Arbeiterliedes umfasse Revolutionslieder, Partei- und Gewerkschaftslieder, Arbeiterjugend-, Agitprop-Lieder, antifaschistische Widerstands- und KZ-Lieder (Lammel 1975, S. 18).

Als konstitutiv für das Arbeiterlied galt seine „oppositionelle Stellung zur herrschenden, kapitalistischen Gesellschaftsordnung“ (Lammel 1975, S. 14). Zu fragen ist, wie seine Rolle innerhalb des sozialistischen Systems, eines Systems, dem die Überwindung des Kapitalismus und der damit verbundenen Unterdrückung theoretisch vorausgeht, interpretiert wurde. Dazu Lammel: „Die Lieder der Arbeiter sind seitdem nicht mehr Kampfmittel einer unterdrückten Klasse gegen eine Klasse von Ausbeutern; sie stehen nicht mehr in Opposition zur herrschenden Staatsmacht; in ihnen kommen vielmehr die gemeinsamen Interessen von Partei, Regierung und werktätigem Volk beim Aufbau des Sozialismus zum Ausdruck“ (Lammel 1978, S. 141). Nach dieser Auffassung manifestierten sich in den Liedern nicht gegenwärtige Konflikte, sondern die Kämpfe der Vergangenheit, nicht Gegensätze im eigenen Land, sondern im Machtbereich des politischen Gegners. Wo die ehemaligen gesellschaftlichen Antagonismen für aufgehoben erklärt wurden, konnten sich Protest und Widerstand „von unten“ nicht mehr artikulieren, weil es das „Unten“ nicht mehr gab bzw. seine Existenz in den offiziellen Verlautbarungen geleugnet wurde. Selbstverständlich zeigte sich, dass die öffentlich proklamierte Übereinstimmung von Volkskultur und staatlicher Kultur Propaganda war und der Realität nicht entsprach.

Die Folksongbewegung der sechziger Jahre in den USA stieß auch in der DDR auf großes Interesse, insbesondere bei Jugendlichen. Eine wichtige Rolle bei der Folksong-Rezeption in der DDR spielte der seit 1959 in Berlin lebende kanadische Sänger Perry Friedman, der Hootenannies (konzertartige Veranstaltungen improvisatorischen Charakters) durchführte. Als Keimzelle der Singebewegung entstanden Hootenanny-Klubs. Mitglieder der ersten Klubs waren u. a. Reinhold Andert, Hartmut König, Bettina Wegner und Barbara Kellerbauer. Gesungen wurden vor allem internationale Folklore, Ostermarschlieder, Dylan- und Seeger-Titel.

Die Beeinflussung zwischen Ost und West verlief jedoch nicht nur in eine Richtung. So empfing die bundesrepublikanische Folkbewegung wichtige Impulse aus der Liedpflege und -forschung der DDR. Besonderen Einfluss auf ihr Liedrepertoire und -verständnis hatte Wolfgang Steinitz mit seiner Sammlung Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten, die in zwei Bänden (1954 und 1962) erschien. Auch Inge Lammels Liedsammlungen fanden viel Beachtung.

Gegen Ende der 1960er Jahre wurde die FDJ-Singebewegung mit propagandistischem Aufwand offiziell gefördert. Seitdem verlief sie widersprüchlich: Sie wurde zum Teil politisch instrumentalisiert, ihres spontanen Charakters beraubt, andererseits erfuhr sie Förderung, und es blieben auch gewisse Freiräume erhalten, weil es zwischen den Behörden in der Kulturpolitik nicht immer übereinstimmende Auffassungen gab.

Im Februar 1967 wurde einer der Hootenanny-Clubs in Ostberlin unter Einfluss der SED in Oktoberklub umbenannt. Damals begann in der ganzen DDR eine Kampagne gegen westliche Einflüsse. Die englische Sprache wurde großenteils eliminiert, Beatgruppen und Schlagersänger z. B. mussten ihre englischen Namen ablegen. Nach dem Beispiel des Oktoberklubs wurde eine Vielzahl ähnlicher Singeklubs gegründet. Deren offiziell propagiertes Ziel war der gemeinschaftliche Gesang – ähnlich wie in der Jugendmusikbewegung. Doch ging die Entwicklung in eine andere Richtung: Der Darbietungscharakter der Musik nahm zu, weil Künstler und Publikum mehr Qualität wollten. Die Lieder wurden anspruchsvoller – und zugleich schwerer singbar für die „Gemeinschaft“.

Anfang der siebziger Jahre löste Erich Honecker Walter Ulbricht als Parteichef ab. Honecker galt bei vielen als Hoffnungsträger eines liberaleren, menschlicheren Sozialismus. Die restriktive Kulturpolitik der sechziger Jahre wurde gelockert.

In den siebziger Jahren nahm das Interesse der Jugendlichen an der Singebewegung ab; sie lehnten vor allem die agitatorischen Lieder ab. In ihr wurzelnd, jedoch in demonstrativer Abstoßung von ihr entwickelte sich Mitte der siebziger Jahre eine Liedszene mit Liedermachern, Liedtheatern und Folkloregruppen. Reinhold Andert, Kurt Demmler, Barbara Thalheim und Bettina Wegner kamen aus dem Oktoberklub, aus anderen Singeklubs Gerhard Gundermann, Stefan Körbel, Stephan Krawczyk, Gerulf Pannach. Weitere Gruppen: Brigade Feuerstein, Folkländer (in Leipzig, mit Jürgen B. Wolf), Karls Enkel (in Berlin) und Schicht.

Das Festival des politischen Liedes (Berlin) fand von 1970 bis 1990 statt, es entwickelte sich von relativ bescheidenen Anfängen mit sechs Veranstaltungen und „nur“ 3000 Zuhörern zu einem riesigen Festival mit 40–50 Veranstaltungen und insgesamt 60–70.000 Zuschauern. Daran nahmen auch viele ausländische Musiker teil. Ab 1971 gab es kontinuierlich deutsch-deutsche Kontakte: Süverkrüp, Degenhardt, Wader, Floh de Cologne, Liederjan, Zupfgeigenhansel, Ute Lemper, Heinz-Rudolf Kunze und Konstantin Wecker traten auf. Die Attraktivität der Veranstaltung beruhte auch darauf, dass es in der DDR sonst keine internationalen Rock- und Folkfestivals gab. So bot sie eine der wenigen Möglichkeiten zu internationalen Kontakten. Doch hatte das Festival des politischen Liedes einen zwiespältigen Charakter: Lieder wurden verboten, Plakate nicht genehmigt, Festivalzeitungen zensiert. Kontroverse Debatten drangen nicht nach außen, Dissidenten aus realsozialistischen Ländern und kritische Künstler ließ man nicht auftreten.

Künstlerisch produktiv war Ende der siebziger/ Anfang der achtziger Jahre das Liedtheater. Hier wurde die Abfolge thematisch unzusammenhängender Lieder ersetzt durch geschlossene Programme, wobei der Sänger szenisch agierte und der Liedvortrag durch szenische Mittel erweitert wurde. Gruppen: Schicht, Karls Enkel.

Den Anstoß zu einem Folk Revival in der DDR gab auch – wie schon einige Jahre vorher in der BRD – die Musik irischer und schottischer Gruppen, deren Musizierstil auf die eigenen Lieder angewandt wurde, wobei westdeutsche Vorbilder (Zupfgeigenhansel, Liederjan, Hannes Wader) aufmerksam beobachtet wurden. Man betrieb Quellenstudium, gab eigene Liederhefte heraus und besann sich auf traditionelle Instrumente wie Dudelsack, Drehleier, Brummtopf u. a. Bei historischen Liedern mit kritischen oder oppositionellen Zügen betonten die Gruppen die aktuelle Bedeutung. Solche Aktualisierungen widersprachen dem Verständnis von Staat und Regierung, für die die traditionellen Lieder vergangene Klassenkämpfe dokumentierten. Das Ministerium für Kultur und das Zentralhaus für Kulturarbeit in Leipzig beobachteten die Bewegung argwöhnisch und versuchten, sie in den Griff zu bekommen. Freien, „wilden“ Festivals wollte das Kulturministerium wegen ihres spontanen Charakters und der oft aufmüpfigen Darbietungen Einhalt gebieten.

In den achtziger Jahren kristallisierte sich ein Netz von Jugend-, Studenten- und Kulturbundklubs, von Kulturhäusern, Theatern, Kinos und Museen heraus, die regelmäßig Veranstaltungen mit Liedermachern und Chansonsängern durchführten. Ein wichtiger Veranstalter für die Liedszene war trotz des Niedergangs der Singebewegung auch in den achtziger Jahren die FDJ.

Die Liedszene der 1970er und 1980er Jahre entwickelte sich weitgehend ohne die Medien. Rundfunk und Fernsehen waren in der DDR direkt der Abteilung Agitation des ZK der SED unterstellt, so dass eine Liberalität wie in der Kulturpolitik nicht möglich war. In den siebziger Jahren fiel das engagierte Lied in den Medien fast ganz der Zensur zum Opfer. Für kritische Liedermacher gab es kaum noch angemessene Sendeformen in Rundfunk und Fernsehen. Spezielle Chanson- und Liedermacher-Sendungen gab es zeitweise überhaupt nicht. Eine besondere Rolle für die Liedszene spielte – wie schon zur Zeit der Singebewegung – der Sender DT 64. Schallplatten wurden in der DDR nur von einer Firma hergestellt, die nach ökonomischen, politischen und künstlerischen Kriterien auswählte. Für die Künstler gab es keinerlei Alternativen.

Besonders einschneidend war 1976 die Ausbürgerung Wolf Biermanns; sie riss eine tiefe Kluft zwischen Staat/ SED und der kritischen Intelligenz auf und führte dazu, dass viele Künstler die DDR verließen. Wolf Biermann hatte 1976 nach elf Jahren Berufsverbot seinen ersten öffentlichen Auftritt – vom Staat zwar nicht genehmigt, jedoch geduldet – in der Prenzlauer Nikolaikirche. Nachdem Visumanträge für Auftritte im Westen 1974 und 1975 abgelehnt worden waren, wurde ihm 1976 die Ausreise erlaubt. Am 13. November 1976 trat Biermann vor ca. 6500 Zuschauern in der Kölner Sporthalle auf. Bei dem Konzert übte er Kritik an den bürokratischen Verkrustungen in der DDR, betonte aber, dass er weiterhin dort leben wolle und dass er den Sozialismus für die bessere Zukunftsperspektive halte. Am 16.11.1976 um 16 Uhr teilte die Nachrichtenagentur ADN mit, Biermann habe mit seinem „feindseligen Auftreten“ die Pflichten eines Staatsbürgers der DDR verletzt, ihm sei deshalb „das Recht auf weiteren Aufenthalt in der Deutschen Demokratischen Republik entzogen“ worden. Die Nachricht führte zu heftigen Protesten im Westen und im Osten. DDR-Bürger – auch SED-Mitglieder – kritisierten diese Maßnahme ihrer Staats- und Parteiführung. Dreizehn Künstler, unter ihnen Jurek Becker, Stephan Hermlin, Stefan Heym, Christa Wolf, verfassten eine Erklärung, der sich mehr als hundert Unterzeichner, darunter Manfred Krug, Eva-Maria und Nina Hagen, Bettina Wegner, Gerulf Pannach, Kurt Demmler, anschlossen.

Die SED sei – so Kirchenwitz – von der Unbotmäßigkeit der Künstler wohl überrascht gewesen. Sie versuchte, so schnell wie möglich die Wogen zu glätten und entschloss sich, zustimmende Äußerungen von Künstlern einzuholen und zu veröffentlichen. Eine Erklärung in ihrem Sinne gaben u.a. die Gruppe Jahrgang 49 und der Sänger Ernst Busch ab. Auch die westdeutschen Liedermacher Franz-Josef Degenhardt und Dieter Süverkrüp kritisierten, Biermann habe sich für antikommunistische Zwecke missbrauchen lassen.

Eine der Folgen der Biermann-Ausbürgerung war ein Exodus der Künstler in den Westen. Einige gingen aus eigenem Entschluss, andere unfreiwillig: die SchriftstellerInnen Jurek Becker, Sarah Kirsch, Erich Loest; die SchauspielerInnen Angelika Domröse, Manfred Krug, Armin Müller-Stahl; die Sängerinnen Eva-Maria und Nina Hagen und der Musiker Klaus Jentzsch (Renft). Gerulf Pannach, Jürgen Fuchs und Christian Kunert wurden im November 1976 verhaftet und aus der Untersuchungshaft im August 1977 in den Westen abgeschoben. Bettina Wegner gehörte zu den Künstlern in der DDR, die kaum mehr Arbeitsmöglichkeiten hatten und aus dem Land vergrault wurden.

Eine Art „politischer Asylraum“, in dem Regimekritik offen geäußert werden konnte und verbotene Künstler auftraten, war die Evangelische Kirche. Sie wurde auch Zufluchtsort für viele Liedermacher. Wolf Biermanns erster Auftritt nach elf Jahren fand 1976 in einer Prenzlauer Kirche statt.

Zu einer Symbolfigur der Bürgerrechtsbewegung wurde Stephan Krawczyk. Er hatte sich über Singebewegung und Folkszene zum Liedermacher entwickelt und schrieb ab 1984 selbst Texte, die zunehmend kompromissloser wurden. 1985 erhielt er Auftrittsverbot und spielte seitdem nur noch in Kirchen. Bei der Teilnahme an einer illegalen Demonstration wurde er zusammen mit mehr als dreißig Personen am 17. Januar 1988 verhaftet. Verhandlungen zwischen Staat, Staatssicherheit und Kirche führten dazu, dass die inhaftierten Bürgerrechtler (darunter Krawczyk) in den Westen abgeschoben wurden.

Am 10. Juni 1989 fand in Leipzig ein Straßenmusikfestival statt. Spontanes Musizieren auf der Straße war in der DDR nicht erlaubt und wurde stets von der Polizei beendet. Das führte zu dem Plan, bei den Behörden ein Straßenmusikfestival anzumelden, trotz oder gerade wegen der Gewissheit, dass es abgelehnt würde: Man wollte provozieren. Die Veranstaltung wurde trotz der erwarteten Ablehnung in der DDR bekannt gemacht. Am 10. Juni fanden sich etwa fünfzehn Musik- und Theatergruppen im Leipziger Zentrum ein und spielten, zunächst unbehelligt, vor einigen hundert Zuhörern z. Tl. inhaltlich provozierende Lieder. Dem Aufruf eines SED-Funktionärs, das Festival zu beenden, wurde nicht gefolgt, und so begann um 13.30 Uhr der Polizeieinsatz. Es gab 140 Festnahmen, z. Tl. mit brutaler Gewalt. Dabei entstand aber auch eine spontane Protestdemonstration, und einige Wochen später fand im Leipziger Gewandhaus unter der Leitung von Kurt Masur eine öffentliche Diskussion über die Ereignisse des 10. Juni statt.

Im September 1989 traten verschiedene oppositionelle Gruppierungen mit Aufrufen an die Öffentlichkeit, so die Bürgerbewegung Demokratie jetzt und das Neue Forum. In Erfurt wurde die Gruppe Demokratischer Aufbruch gegründet. 200 Mitglieder des Schriftstellerverbandes forderten einen demokratischen Dialog. Rockmusiker und Liedermacher verfassten einen gemeinsamen Aufruf, in dem es u. a. hieß: „Wir fordern Änderung der unaushaltbaren Zustände.“ Der Aufruf wurde von 3000 Künstlern u. a. Persönlichkeiten unterzeichnet und zu Beginn vieler Konzerte unter dem Beifall des Publikums verlesen.

Einen Höhepunkt der oppositionellen Bewegung stellte die Demonstration am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz dar, auf der eine halbe Million Menschen demokratische Reformen forderten.

Für die Liedszene von besonderer Bedeutung war die Heimkehr der ausgebürgerten Liedermacher mit einem Biermann-Konzert am 1.12.1989 in Leipzig und der Veranstaltung Verlorene Lieder – verlorene Zeiten am 2.12.1989 im Berliner Haus der jungen Talente, in der außer Biermann die einst Ausgebürgerten Eva-Maria Hagen, Stephan Krawczyk, Gerulf Pannach und Bettina Wegner auftraten; außerdem Jürgen Eger, Gerhard Schöne, Barbara Thalheim und Wenzel / Mensching.

 

Volkstümliche Musik

Literatur

Barber-Kersovan, Alenka (2005): Slowenische volkstümliche Musik zwischen Unterhaltung, kommerzieller Verwertung und nationaler Identitätskonstruktion. In: Musik und Migration in Ostmitteleuropa. Hg. von Heike Müns. München.

Bröcker, Marianne (1984): Ja, wir sind lustige Musikanten. In: Festschrift Ernst Klusen. Hg. von Günther Noll und Marianne Bröcker. Bonn. S. 105–127.

Bröcker, Marianne: Volksmusik. In: Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG). 2., neubearb. Ausgabe. Sachteil Band 9. Sp. 1733–1761.

Bröcker, Marianne (1992): „Volkstümliche Musik“ und Pop im musikwissenschaftlichen Diskurs. Ausgewählte Beiträge zur Popularmusikforschung. Hamburg. S. 89–94.

Fauser, Peter (2006): Alles singt. Vom Volkslied-Flimmern im DDR-Fernsehen. In: Musikalische Volkskultur und elektronische Medien. Tagungsbericht Köln 2004 der Kommission zur Erforschung musikalischer Volkskulturen in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde e. V. Hg. von Gisela Probst-Effah. Osnabrück. S. 125–136.

Frahm, Eckart/ Alber, Wolfgang : Volks-Musik (1979/ 1980). Die erinnerte Hoffnung. Beiträge zur gegenwärtigen Kulturpraxis. Tübingen 1979. 2. Aufl. 1980.

Gächter, Sven (1995): Das Musikantenstadl droht. Ein Wirtschaftsbericht. In: Schräg dahoam. Zur Zukunft der Volksmusik. Hg. von Christian Seiler. Andrä-Wördern. S. 31–38.

Grabowski, Ralf (1999): Zünftig, bunt und heiter. Beobachtungen über Fans des volkstümlichen Schlagers. Tübingen.

Heister, Hanns-Werner (1994): Volkstümliche Musik zwischen Kommerz, Brauchtum und Politik. In: Beiträge zur Popularmusikforschung 13. Hg. von Helmut Rösing. Baden-Baden. S. 25–45.

Horak, Roman (2000): Dahoam is Dahoam. Über die Effektivität der ‚Volkstümlichen Musik. In: Politik des Vergnügens. Zur Diskussion der Populärkultur in den Cultural Studies. Hg. von Udo Göttlich u. Rainer Winter. Köln. S. 233–250.

Karl Moik. In: Wikipedia.

Projektgruppe V-Musik, Institut für Musikwissenschaft/ Musikpädagogik an der Universität Gießen (1996): Volkstümliche Musik im Fernsehen. In: Regionale Stile und volksmusikalische Traditionen in populärer Musik. Karben. S. 30–65. (= Beiträge zur Popularmusikforschung 17. Hg. von Helmut Rösing.)

Rohr, Robert (1993): Bayerisch-donauschwäbische Bezüge in der volkstümlichen Musik. In. Volksmusikforschung und -pflege in Bayern. Hg. vom Bayerischen Landesverein für Heimatpflege. Elftes Seminar: Die Volksmusik der deutschen Vertriebenen und Aussiedler und ihr Einfluß auf Bayern. Vorträge und Ergebnisse des Seminars vom 24. bis 28. März 1991 in Berching. München. S. 105–109.

Volkstümlicher Schlager. In: Wikipedia.

von Schoenebeck, Mechthild (1994): Wenn die Heidschnucken sich in die Äuglein gucken... Politische Inhalte des volkstümlichen Schlagers. In: Beiträge zur Popularmusikforschung 13. Hg. von Helmut Rösing. Baden-Baden. S. 25–45.

Schusser, Ernst (1996): Slavko Avsenik und seine Original Oberkrainer. Ein neuer Klang aus Slowenien. Hg. v. Bezirk Oberbayern und Deutsches Volksliedarchiv. München.

Suppan, Wolfgang (1977): Der Anteil ostdeutscher Musiker am Neuaufbau des Blasmusikwesens in der Bundesrepublik Deutschland. In: Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde, Bd. 20 (1977) S. 244–262

 

Zur Geschichte volkstümlicher Musik: Ernst Mosch und Slavko Avsenik

Nach 1945 gaben Heimatvertriebene und Flüchtlinge aus osteuropäischen Ländern der Blasmusik in Westdeutschland wesentliche Impulse. „Als die durch Kriegsverluste arg geschwächten Blaskapellen in Süddeutschland nach 1945 sich wieder sammelten, als die Besatzungsmächte Vereinsgründungen erlaubten, füllten Heimatvertriebene und Umsiedler vielfach personelle Lücken in Stadt- und Dorfkapellen Baden-Württembergs, Bayerns, Hessens, des Saarlandes und in Rheinland-Pfalz aus und beteiligten sich als Kapellmeister und Musiker am Neuaufbau“ (Suppan 1977, S. 248). „Wo größere Umsiedlungsgruppen aus einem Umsiedlungsgebiet nach 1945 weiter zusammenleben und ein eigenes ‚landsmannschaftliches‘ Brauchtum entfalten konnten, bildeten sich oft eigene Musikkapellen. Am bekanntesten wurden die ‚Egerländer Musikanten’ unter Ernst Mosch, ein mit zahlreichen Schallplattenpreisen ausgezeichnetes, auf Volksfesten gefeiertes – und schließlich rein kommerzielles Unternehmen“ (Suppan 1977, S. 255)

Das Hauptrepertoire volkstümlicher Instrumentalmusik ist alpenländisch geprägt mit Ausläufern ins Egerland (Böhmen) und nach Oberkrain (Slowenien), die beiden letzteren repräsentiert durch die Gruppen von Ernst Mosch und seine Original Egerländer Musikanten in Harmoniemusikbesetzung (Klarinetten, Trompete, Flügelhörner, Tenorhörner, Posaunen, Tuben, Schlagzeug) und Slavko Avsenik und seine Original Oberkrainer in der Besetzung mit Akkordeon, Trompete, Klarinette, Gitarre, Baritonhorn oder Kontrabass.

Die Gruppe Ernst Mosch und seine Original Egerländer Musikanten wurde 1956 gegründet. Ernst Mosch wurde am 7. November 1925 in Zwodau bei Falkenau an der Eger geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte er sich nach Bayern ab; 1951 wurde er 1. Posaunist des Südfunk-Tanzorchesters in Stuttgart. 1956 Gründung der Blaskapelle. Schon 1960 erhielt Mosch seine erste Goldene Schallplatte für 1 Million verkaufter Tonträger. 1966 USA-Tournee (sechs Gastspiele mit 15.000 Besuchern), dabei auch ein Auftritt in der New Yorker Carnegie-Hall. (Die Informationen zur Biographie sind entnommen der Zeitschrift Lustige Musikanten, Nr. 3/1986, S. 4 ff.)

Slavko Avsenik kommt aus Ljubljana/ Slowenien. Er begann mit Auftritten bei Radio Ljubljana. Erste Sendung im Bayerischen Rundfunk 1955; erste Fernsehproduktion im Deutschen Fernsehen 1958. Der Sound der Gruppe Slavko Avsenik und seine Original Oberkrainer wurde in Deutschland von zahlreichen Gruppen nachgeahmt. Die volkstümliche Musik bzw. der volkstümliche Schlager, der vor allem seit den 1980er Jahren in Deutschland die Medien eroberte, ist u. a. eine Weiterentwicklung des Oberkrainer Stils (Volkstümlicher Schlager in Wikipedia).

Der Auslandserfolg der Gruppen Ernst Mosch und Slavko Avsenik löste auch innerhalb von Slowenien eine Hochkonjunktur für volkstümliche Musik aus. Nach einer zeitweiligen Flaute erlebte sie in den achtziger Jahren ein Revival, dessen wichtigste Quelle der damals beginnende Nationalitätenkonflikt Jugoslawiens war. In diesem politischen Kontext wurde alles, was „echt slowenisch“ zu sein schien, aufgewertet – so auch die volkstümliche Musik (Barber-Kersovan 2005).

Definitionen volkstümlicher Musik

„Als volkstümliche Lieder bezeichnete man im 19. Jh. Lieder, deren Autoren namentlich bekannt waren, unter dem Begriff volkstümliche Musik verstand man (ohne eine Definition zu versuchen) bis in die 1960er Jahre zumeist instrumentale Volksmusik, insbesondere die Blasmusik. Heute wird der Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch oft synonym für Volksmusik gebraucht [...]. Gemeint sind mit diesem Begriff die über Rundfunk und Fernsehen seit den 1960er Jahren in hohem Maße kommerziell verbreiteten Musiksendungen, die Lieder und Instrumentalmusik enthalten, deren Strukturen denen der Volksmusik sehr ähnlich sind (und von denen dementsprechend ein großer Teil der Zuhörer und Zuschauer annimmt, es sei Volksmusik)“ (Bröcker, MGG, Sp. 1754).

Viele Autoren sprechen auch von volkstümlicher Schlagermusik und meinen damit eine Verschmelzung des deutschsprachigen Schlagers mit „Volksmusik“ (z. B. Schoenebeck 1994). Die Beziehung zum Schlager drückt sich z. B. in der folgenden Definition aus: „Volkstümliche Musik [...] präsentiert sich musikalisch und textlich als eigenwillige Mischung aus deutschem Schlager und Elementen alpiner Volksmusik, zu der sich in letzter Zeit bei einigen Gruppen auch Versatzstücke aus der Tradition des Rock’n’Roll gesellen“ (Horak 2000, S. 235).

Gächter definiert die volkstümliche Musik als „das Recycling der Gattung Volkslied im Geiste des Schlagers“ (Gächter 1995, S. 31).

Popularität

Die volkstümliche Musik ist nicht nur eine Randerscheinung des Musiklebens. Im Auftrag der Illustrierten Stern führte das Institut für Demoskopie Allensbach 1980 eine für die Bundesrepublik Deutschland repräsentative Umfrage über Musikpräferenzen durch. An erster Stelle der Beliebtheit stand Deutsche Volksmusik (wobei vermutlich volkstümliche Musik gemeint ist) mit 42% (41% Männer, 43% Frauen), an dritter Stelle Blasmusik und Marschmusik (ebenfalls aus dem Bereich volkstümliche Musik) mit 32% (37% Männer, 28% Frauen). Am wenigsten beliebt waren diese Bereiche in der Gruppe der 14–20-jährigen (Volksmusik 7%, Blasmusik 4%), am meisten bei den 45–59jährigen (Volksmusik 59%, Blasmusik 46%) und bei den über 60jährigen (70%, 55%) (Bröcker 1984, S. 118). Es sei aber anzunehmen, dass der Anteil der Jüngeren zugenommen hat.

Manche Autoren betonen demgegenüber den eher marginalen Charakter der volkstümlichen Musik auf dem Musikmarkt: Als popularkulturelles Produkt bediene sie ein „relativ kleines“ Marktsegment (Horak 2000, S. 248; siehe auch unten).

Die Rolle der Medien

Volkstümliche Musik taucht in verschiedenen Zusammenhängen auf: in Bierzelten, bei Vereinsabenden, oft dargeboten von musikalischen Laien oder semiprofessionellen Gruppen. Auf der anderen Seite gibt es z. Tl. gigantische Volksmusik-Konzerte (vgl. z. B. Grabowski 1999, S. 11) und Darbietungen in Rundfunk und Fernsehen. So wird der Bereich volkstümlicher Musik einerseits geprägt durch zahlreiche nur lokal und regional bekannte volkstümliche Bands und andererseits durch gut oder sehr gut verdienende Stars.

Die großen Erfolge volkstümlicher Musik ermöglichte aber erst die massenhafte Verbreitung der Musik auf Schallplatte, Musikkassette und Compact Disc, im Rundfunk und vor allem im Fernsehen.

Volkstümliche Musik gab es zunächst nur in den Regionalprogrammen von Rundfunk und Fernsehen. Später wurde sie bundesweit gesendet.

Die Sendungen sind bis ins Detail durchgeplant und in ihrem Ablauf festgelegt. Einziges Risiko ist dabei der Publikumsapplaus. Beteiligt ist ein großer Mitarbeiterstab.

Einen großen Aufschwung in den Medien nahm die volkstümliche Musik durch Karl Moik, von Beruf Werkzeugmacher mit frühen musikalischen Ambitionen. 1973 moderierte Moik für den ORF-Oberösterreich im Rundfunk die Sendung Volkstümliche Hitparade, die schon bald ein „Publikumsrenner“ wurde, so dass sich die deutsche ARD dafür interessierte. Der seit 1981 im österreichischen Fernsehen ausgestrahlte und von Karl Moik moderierte Musikantenstadl wurde seit 1983 auch im deutschen Fernsehen gesendet, ebenso seit 1993 im Schweizer Fernsehen. Zusammen mit dem schweizerischen Fernsehen DRS wurde seit ca. Mitte der achtziger Jahre der Musikantenstadl in Co-Produktion mit dem ORF und der ARD zur Hauptsendezeit ausgestrahlt“ (Art. Karl Moik, Wikipedia). „Moiks Stadl hält mit durchschnittlich 10 Millionen Zuschauern bis heute die Feldspitze, obschon mit dem Boom der Privatsender das einschlägige Spektrum geradezu explodiert ist [...]“ (Gächter 1995, S. 33). Moik gastierte auch im Ausland, u. a. in Kanada, Australien, Südafrika und China. 2005 gaben ARD und ORF die Entlassung Moiks bekannt; ab Herbst 2006 gibt es einen neuen Moderator (Andy Borg) (Art. Karl Moik, Wikipedia).

Mit volkstümlicher Musik lässt sich Sendezeit relativ leicht und billig ausfüllen, denn die Produktionskosten sind vergleichsweise niedrig. Man ist gezwungen, die vorgesehene Sendezeit auszufüllen, andernfalls werden Etat und Sendezeit gekürzt. Außerdem findet volkstümliche Musik viel Resonanz bei den Zuhörern bzw. Zuschauern. Der Musikantenstadl soll zwischen 1983 und 1988 in Österreich regelmäßig Einschaltquoten zwischen 40% und 60% erreicht haben, in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre 40%, in Deutschland zwischen 25% und 30% (Horak 2000, S. 242).

Volksmusik-Boom seit den 1980er Jahren

Zum Erfolg volkstümlicher Musik trug auch der Grand Prix der Volksmusik bei, der seit 1986 zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz, inzwischen auch Südtirol jährlich veranstaltet wird (Volkstümlicher Schlager, Wikipedia). Sein „Erfinder“ war Hans R. Beierlein. Er gilt als einer der Initiatoren und Profiteure des Volksmusik-Booms. „Im TV-Bereich errichtet Beierlein mit 90 Prozent des Outputs ein Monopol [...]. Vor allem die Massenvergnügungsanstalt Fernsehen erwies sich als solider Multiplikator“ (Gächter 1995, S. 32).

Am Ende der 1980er Jahre gab es einen Boom volkstümlicher Musik, ausgelöst durch den Erfolg Patrona Bavariae des Original Naabtal Duos beim Grand Prix der Volksmusik 1988 (Näheres zu diesem Titel siehe Heister 1994, S. 29 ff.). – Weitere Gruppen traten in den achtziger Jahren hervor: u. a. die Kastelruther Spatzen, Wildecker Herzbuben, Zillertaler Schürzenjäger, Marianne & Michael.

Seit Anfang der 1980er Jahre hat sich – so Grabowski, dessen Untersuchung 1999 veröffentlicht wurde – die Anzahl der Fernsehsendungen mit volkstümlicher Musik in der ARD versechsfacht. In den zwei Wochen vom 11. bis 24. September 1995 zählte Grabowski in allen per Kabel oder Satellitenschüssel zu empfangenden Fernsehsendern insgesamt elf Sendungen mit volkstümlicher Musik (Grabowski 1999, S. 23). „Faßt man die Kriterien etwas weiter und rechnet Schlagerparaden, in denen ebenfalls gejodelt wird, und Musikfilme hinzu, kommt man auf die gigantische Zahl von 72 volkstümlichen Musiksendungen in diesen beiden Wochen“ (Grabowski 1999, S. 23).

Mechthild von Schoenebeck hat 1991 in den deutschen Fernsehsendern 124 Sendungen mit volkstümlichen Schlagern gezählt. Im Rundfunk gebe es nichts Vergleichbares, hier sei der volkstümliche Schlager im Wesentlichen auf bestimmte Programme (z. B. WDR 4) und Sendeplätze verwiesen (Schoenebeck 1994, S. 7).

Zehn Jahre zuvor, 1981, gab es auch schon Musiksendungen im Fernsehen, allerdings mit deutlich unterschiedlichem Inhalt: Rock- und Popsendungen wie der Musikladen oder Bios Bahnhof wurden unter anderem Label in die Dritten verlegt, oder sie erschienen in speziellen Musikkanälen wie MTV, VIVA, neuerdings auch VH-1 und VIVA 2. Anspruchsvolle Sendungen – etwa mit Jazz – sind gänzlich aus dem Programm der großen TV-Sender verschwunden (Grabowski 1999, S. 26 f.).

Nicht nur in quantitativer, sondern auch in qualitativer Hinsicht wurden Programme volkstümlicher. So wurden Programmplätze verschoben und Sendungen mit volkstümlicher Musik ins Zentrum des Programms gerückt, während anspruchsvollere Musik aus der prime time verdrängt wurde.

1989 erzielte der Markt des volkstümlichen Schlagers durch Tonträgerverkäufe erstmals über 100 Millionen DM Umsatz. Dabei entfielen 20% allein auf den Hit Patrona Bavariae des Original Naabtal Duos (vgl. hierzu Schoenebeck 1992, S. 49).

Zahlen für die späten 1990er Jahre nennt Roman Horak (Horak 2000, S. 236). Sie zeigen, dass sich mit Volksmusik und Schlager zwar gutes Geld verdienen lässt, das, gemessen an den Summen, die die Tonträger der angloamerikanischen Popularmusik einbringt, jedoch „eher ein Klacks“ sei. „Wir können, ja müssen an dieser Stelle gegen anderslautende Mutmaßungen vorerst einmal festhalten, dass, was den Verkauf von CDs (und auch Musikkassetten) in Deutschland und Österreich angeht, volkstümliche Musik eine Angelegenheit für Minderheiten vorstellt“ (Horak 2000, S. 237).

Allerdings sei – so Horak – der Verkauf von Tonträgern nicht die zentrale Einnahmequelle in diesem Genre – im Gegensatz zum Rockmusikgeschäft. Die volkstümliche Szene präsentiert sich stärker bei Live-Auftritten, vor allem in der Karnevalszeit und zu anderen der zahlreichen Feste, die großenteils in Bierzelten stattfinden. Die Stars der Branche, die hohe Gagen erhalten (s. Horak 2000, S. 238), sind allerdings mittlerweile ganzjährig unterwegs und treten nicht in Festzelten auf.

Merkmale volkstümlicher Musik bzw. medialer Volksmusik

Mechthild von Schoenebeck hat insgesamt 200 Titel aus den Jahren 1990 bis 1994 ausgewählt und die drei Elemente Text, Musik und Inszenierung (im Fernsehen) untersucht (Schoenebeck 1994). Die Titel wählte sie aus den Fernsehsendungen Heimatmelodie, Musikantenstadl und Die Superhitparade der Volksmusik aus.

Texte

Schoenebeck nennt u. a. die folgenden häufigsten Themen des volkstümlichen Schlagers (vgl. Schoenebeck 1994, S. 18):

Natur

Heimat

Liebe bzw. glückliche Paarbeziehungen

Kindheit

Alltagsepisoden

Lebenshilfe, Trost, Rat

Seemannsleben

Kneipenbesuche, Alkoholgenuss

Männerfreundschaft

Zentrale Themen volkstümlicher Schlager sind die Heimat und die Ferne, Themen, das bereits in den 1950er und 60er Jahren die Inhalte vieler Kinofilme sowie zahlreicher Schlager bestimmten.

Die häufigsten Landschaften der medialen Volksmusik bzw. volkstümlichen Musik sind Berge, Seen, Heide, Meer, eine ländliche „heile Welt“ mit intakten sozialen Beziehungen. Bevorzugt werden süddeutsche, österreichische und schweizerische Gebirgslandschaften – Landschaften, die auch beliebte touristische Ziele sind. Dabei erscheinen Landschaften und Natur im Postkarten-Format und als „idealisierte Kulissen“ (Grabowski 1999, S. 27); Heister spricht von einer „abstrakt-alpenländischen Folklore“ (Heister 1994, S. 35). Für ausländische Touristen verkörpert diese Folklore nicht nur „das Bayerische“, sondern insgesamt „das Deutsche“.

Manchmal gibt es in den Texten auch religiöse Bezüge: z. B. in dem Lied Patrona Bavariae vom Original Naabtal Duo. Dieses Lied war der Siegertitel des Grand Prix der Volksmusik des Jahres 1988 und machte das Naabtal Duo zu Stars der volkstümlichen Szene.

Norddeutsches ist auch in bundesweit ausgestrahlten Sendungen unterrepräsentiert; bekannte norddeutsche Interpreten bzw. Gruppen sind u. a. Carla Lodders, Finkwarder Speeldeel, Godewind. Eine häufig besungene nördliche Landschaft ist die Lüneburger Heide, ein beliebtes Urlaubsziel der Deutschen; sie ist schon lange Zeit populär durch Filme und eine eigene Literatur (Hermann Löns).

Im Gegensatz zum Folk- und Protestsong ist der im Schlager verwendete Heimatbezug nicht lokal gebunden, nicht real, sondern er knüpft ans bürgerlich idealisierte, idyllische Heimatbild an, das sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland herauszubilden begann (Grabowski 1999, S. 30). „Gerade diese Allgemeinheit der Bilder, die Neutralisierung von Heimat zu einer abgezogenen Vorstellung, die alle widerspenstigen und individuellen Realitätsmomente abgestreift hat – gerade sie gab diesem Heimatbegriff jene Flexibilität und Schmiegsamkeit, mit denen er bis in die Gegenwart überdauern konnte“ (Hermann Bausinger: Heimat in einer offenen Gesellschaft. Begriffsgeschichte als Problemgeschichte. In: Bundeszentrale für politische Bildung: Heimat. Analysen, Themen, Perspektiven. Schriftenreihe 294/I Bonn 1990. S. 76–90; hier S. 79 f.).

Das „Heimatliche“ wird auch suggeriert durch die Verwendung einer Sprache mit Dialekteinschlag, eine „dialektale Färbung der Textsprache durch einen irgendwie ‚bayrischen’ Allerweltsjargon, der doch unbedingt national verständlich sein muß“ (Heister 1994, S. 30). Heister weist auf ein „Dilemma“ des Dialekts hin: „die lobenswerte lokale Bindung und rasche Verständlichkeit bedeutet zugleich eine fast unüberwindliche Schranke für die überregionale Verbreitung (zu schweigen von internationaler)“ (Heister 1994, S. 40). Horak konstatiert für die neunziger Jahre: Er sehe „keine sprachlich-dialektgefärbte Rückbindung mehr. Nicht die Abwandlung eines konkreten lokalen/ regionalen Dialekts haben wir vor uns, sondern ein neues (konstruiertes) abstraktes sprachliches Zeichensystem [...]. Was uns da geboten wird, ist eine Sprache, die niemand spricht, die bloß gesungen wird“ (Horak 2000, S. 248).

Musik

Es handelt sich dabei entweder um Neukompositionen oder um Bearbeitungen traditioneller Musikstücke und Lieder. Zu deren Merkmalen gehören: die Bevorzugung von Dur-Tonarten; eingängige Melodik, Melodiebildungen, die bestimmte regionale Assoziationen hervorrufen (z. B. Dreiklangsbrechungen in der Ländlermelodik, Jodeln). Kadenzharmonik ist vorherrschend. Oft zweistimmiger Gesang in Terzen- oder Sextenparallelen. Die rhythmischen Akzente fallen auf die Taktschwerpunkte, um das Mitklatschen und Schunkeln des Publikums zu erleichtern.

„Die Stimmen der Interpreten sind unausgebildete, ungestützte, meist weich klingende, ‚gerade‘ Stimmen ohne Vibrato und dynamische Differenzierungsmöglichkeiten“ (Schoenebeck 1994, S. 18). Die Solostimmen erscheinen wenig exponiert, wirken verschwommen und eingebettet in eine „Klangsoße“. – Präsentiert werden laut Schoenebeck nur akustische Instrumente: Akkordeon (in fast allen Liedern), Gitarre(n), Trompete, Klarinette, andere (meist Blech-)Blasinstrumente, Schlagzeug. Diese Instrumente werden „in Aktion“ gezeigt. Dabei wird in den Sendungen meist playback gesungen. „Die Illusion des Live-Musizierens wird hier jedoch aufrechterhalten. Niemals sichtbar ist der im Hintergrund stets hörbare Synthesizer. Die Stimmen der Sänger/innen sind verstärkt, es wird aber ohne sichtbares Mikrofon gesungen. Der technische Aspekt der Musik tritt nicht in Erscheinung“ (Schoenebeck 1994, S. 18).

3. Inszenierung

Die Interpreten sind überwiegend Männer; Frauen treten selten allein, sondern meist paarweise auf. Die „Musikanten“ musizieren auf akustischen Instrumenten und singen; die Frauen singen meist nur (Schoenebeck 1994, S. 19). Die Namen der Interpreten enthalten meist einen Ortsnamen (z. B. Wildecker Herzbuben, Naabtal Duo), um Bodenständigkeit und Heimatverbundenheit zu signalisieren.

Ausgeführt wird volkstümliche Musik sowohl von Chören als auch von Solisten. Besonders beliebt sind Gesangduos, vor allem zwei Sängerinnen oder ein Sänger und eine Sängerin; ebenso Kinderstars. Häufig treten auch Sänger und Sängerinnen aus Oper und Operette auf, z. B. Anneliese Rothenberger, Ingeborg Hallstein, René Kollo; ebenso Schlagersänger, z. B. Tony Marshall, Peter Alexander.

Präsentation in – echter oder nachempfundener – Trachtenkleidung. Bei Frauen bleibt durch die Tracht der Körper weitgehend verdeckt, nur die Brust wird stark betont. Die Frisuren wirken damenhaft, makellos, oft hochtoupiert. Der Trachtenlook erweckt den Anschein von Traditionsverbundenheit, Zeitlosigkeit und Unabhängigkeit von wechselnden Moden. „Die Darbietungen verlaufen insgesamt ruhig, mit wenig Körperbewegungen bei den Musikern; allenfalls ein angedeutetes Schunkeln und Wiegen des Körpers wird gezeigt, dazu etwas freundliche Mimik (Lächeln). – Größere und stärkere Bewegungen erfolgen fast nur in der Gruppe, etwa bei hereinmarschierenden Blasmusikgruppen, bei Chören oder bei Tanzgruppen“ (Schoenebeck 1994, S. 19). „Die Kulissen zeigen oft Natur, Landschaft, Landleben, Kleinstadt- oder Dorfbilder (mit alten Häusern), Garten; immer sind viele Blumen arrangiert“ (Schoenebeck 1994, S. 19). Keine städtische Szenerie.

Gründe für die Beliebtheit volkstümlicher Musik

„Warum die kommerzielle volkstümliche Musik einen so großen Erfolg in unserer Gesellschaft hat, ist bisher nicht genauer untersucht worden, aber einer der Gründe liegt zweifellos darin, daß diese Musik von Leistungsansprüchen und Problemen des Alltags freie psychische Nische, im weitesten Sinn dann ‚Heimat, Liebe, Sinn‘ bietet (Frahm/ Alber 1980, S. 17 f.). „[...] man hört durch Volksmusik hindurch das, was in der Gesellschaft dem Einzelnen real zunehmend fehlt: Heimat, Liebe, Sinn“ (Frahm/ Alber 1979, S. 34). In ökonomischen oder gesellschaftlichen Krisenzeiten steigt die Beliebtheit der volkstümlichen Musik (belegbar durch höhere Einschaltquoten; vgl. Frahm/ Alber 1980, S. 16, 28); so wird ihre Funktion als gesellschaftliches Sedativum offensichtlich. Auch Schoenebeck sieht den volkstümlichen Schlager als ein Mittel zur Realitätsflucht. Dabei sei die Abkehr von der Realität nicht negativ besetzt, sie werde im Gegenteil als legitime Strategie propagiert (Schoenebeck 1994, S. 9).

Einflüsse der Popularmusik

In der volkstümlichen Musik verbindet sich traditionelle Musik mit wechselnden Moden der Popularmusik. Volkstümliche Musik ist nicht so zeitlos, wie sie sich gelegentlich gibt, sondern sie ist Modetrends unterworfen. Mit ihrem Erfolg seit den 1980er Jahren beispielsweise hat sie sich verändert. Sie präsentiert sich oft in einem zeitgemäßeren Gewand. Mit einem neuen Publikum ändert sich auch die Musik. Sie ist härter geworden, hat Rock- und Popelemente aufgenommen. „Sie hat ihren Trachtenjanker abgelegt und gefällt sich nun in wechselndem Outfit. Immer häufiger kleidet sie sich in Jeans und T-Shirt [...]. Nur noch selten zieht sie ihre alpenländische Tracht aus dem Schrank“ (Grabowski 1999, S. 161). – Unter der Überschrift „Schwul und in Loden“ gab es im Kölner Stadt-Anzeiger vom 7./8. Juni 2003 einen kurzen Artikel zu neueren Trends volkstümlicher Musik. Hier werden volkstümliche Boygroups erwähnt, u. a. eine Gruppe, die ihr „Schwulsein“ öffentlich auslebt.

Seit den Erfolgen volkstümlicher Musik in den 1980er Jahren wurde das Publikum volkstümlicher Konzerte bzw. Sendungen jünger. „Für Siebzehnjährige ist der Besuch eines volkstümlichen Konzerts kein Tabu mehr [...[. Die jugendlichen Fans haben ein Zeichenkonglomerat aufgebrochen, das volkstümliche Musik mit hohem Alter, Sepplhose und Gamsbarthose verbindet“ (Grabowksi 1999, S. 161). Dennoch behauptet sich noch immer das Stereotyp, volkstümliche Musik sei Musik für ältere Leute.

Eine der erfolgreichsten Gruppen des volkstümlichen Musik-Business sind die Schürzenjäger. Sie touren seit über zwanzig Jahren durch die Lande. Früher nannten sie sich Zillertaler Schürzenjäger – wie im Allgemeinen eine lokale oder geographische Bestimmung in den Namen volkstümlicher Musikgruppen üblich ist, oft verbunden mit dem die Bodenständigkeit und „Echtheit“ betonenden Zusatz „Original“. Anscheinend machte die Popularität der Schürzenjäger seit den 1990er Jahren solche Hinzufügungen, die ja auch eine lokale Begrenzung ausdrücken, überflüssig. Horak erwähnt in seinem Aufsatz über volkstümliche Musik ein Konzert der Schürzenjäger mit etwa 70.000 Besuchern (Horak 2000, S. 233). Die Gruppe gehört inzwischen zu den Spitzenverdienern der deutschen Unterhaltungsindustrie.

Die Schürzenjäger haben – wie auch andere volkstümliche Musikgruppen – in den frühen siebziger Jahren als dreiköpfige „Volksmusik-Trachtenkapelle“ (Besetzung: Gitarre, Ziehharmonika, E-Bass) angefangen. Damals wurde diese Art von Musik überwiegend „live“ vor Ort gespielt, in den Medien war sie noch wenig vertreten, höchstens in den öffentlich-rechtlichen Regionalsendern (Horak 2000, S. 239).

Die Lieder der Schürzenjäger enthalten noch immer Anklänge an Alpenromantik. Die Bühnenshow ist aber beeinflusst von Rockbands: Die Instrumente sind elektrisch verstärkt, Licht- und Soundeffekte sowie der Habitus der Musiker und ihr Repertoire erinnern an Rockkonzerte. Das Auftreten der Schürzenjäger widerlegt jedenfalls die Behauptung von der „Zeitlosigkeit“ von Volksmusik/ volkstümlicher Musik und zeigt, dass auch sie „mit der Zeit geht“.

Politische Implikationen

Die unpolitische Fassade des volkstümlichen Schlagers – so Schoenebeck – verberge dessen politische Inhalte. „Der volkstümliche Schlager der Gegenwart passt wie maßgeschneidert auf die politischen Programme und Konzepte der konservativen und rechten Parteien. Er ‚bedient’ das neokonservative Frauen- und Familienbild, fördert den Gebrauch legitimer Drogen [= Alkohol] und propagiert den Rückzug in die Irrationalität. Durch die Erzeugung dämmeriger Bewusstseinszustände hindert er die Konsumenten an der Beteiligung am politischen Diskurs“ (Schoenebeck 1994, S. 20 f.).

 

„Neue Volksmusik“

Literatur

Forster, Karl (2006): Hubert von Goisern über Ferne. Interview. Süddeutsche Zeitung vom 28./29. Januar 2006.

Huber, Michael (2001): Hubert von Goisern und die Musikindustrie. Wien. (extempore 2. Aus der musiksoziologischen Werkstatt.)

Seiler, Christian (1995): Schräg dahoam. Zur Zukunft der Volksmusik. Andrä-Wördern.

 

Neue Volksmusik

Der Begriff Neue Volksmusik wird häufig im Zusammenhang mit der Verbindung traditioneller Musik mit aktuellen Musikrichtungen gebraucht. Neue Volksmusik ist eine hybride Form, eine Kreuzung verschiedener musikalischer Elemente: regionalen und internationalen, traditionellen und aktuellen. Dabei schlagen die Musiker, die unter dem Begriff Neue Volksmusik zusammengefasst werden, unterschiedliche Richtungen ein: Hubert von Goisern z. B. verbindet regionale, traditionelle Musik mit Rock/ Pop; Attwenger mit Punk, HipHop und TripHop; Roland Neuwirth mit Blues.

Häufig werden dabei traditionelle Musikinstrumente verwendet. Hauptinstrument der o. g. (österreichischen) Musiker ist die Ziehharmonika, meist die „Steirische“ (Knopfharmonika mit Bass), das Instrument der österreichischen volkstümlichen Musik.

Überwiegend wird im Dialekt gesungen, der aber – im Unterschied zum Mainstream der volkstümlichen Musik – kaum der Hochsprache angepasst ist und daher für ein überregionales Publikum schwer verständlich ist. Dabei setzen sich die Texte oft kritisch mit der Gegenwart auseinander. So kommt es zu relativ ungewohnten Verbindungen: Während im volkstümlichen Musikantenstadl eine bunte Scheinwelt mit alpinen Accessoires und Klischees errichtet wird, lenkt in der Neuen Volksmusik das Regionale – auch die regionale Sprache – die Aufmerksamkeit auf Dissonantes: „Die durch den Musikantenstadl festgelegte Gleichschaltung von M-ta-ta und bis zum Erbrechen wiedergekäuten alpinen Klischees brach plötzlich“ (Huber 2001, S. 11).

Versuche, regionale und internationale Musikstile zu vermischen, gibt es seit mehreren Jahrzehnten. Eine Ausprägung eines musikalischen Crossover bzw. einer Cross Culture war z. B. der Austropop, auch Alpenrock genannt, der Mitte der sechziger Jahre mit Wolfgang Ambros aufkam: Hier verband sich Regionales, z. B. Dialektsprache, mit Rockmusik. Häufig war auch seit den 1970er Jahren die Verbindung von Dialektsprache und Blues. Man denke etwa an Joy Flemings Neckarbrückenblues im Mannheimer Idiom, der Anfang der siebziger Jahre sehr populär war.

Angeblich wurde der Begriff Neue Volksmusik von den Medien kreiert, als sie einen neuen Trend zu entwickeln versuchten. Jedenfalls scheint diese Etikettierung bei einigen Musikern, die sich nicht gern vereinnahmen lassen, Widerspruch hervorgerufen zu haben. Seiler betont im Vorwort zu seinem Buch die Individualität der Musiker und Musikgruppen, die sich eigentlich schwer einem Begriff wie Neue Volksmusik unterordnen lassen (Seiler 1995, S. 7).

„Volksmusik“ ruft in Deutschland häufig negative Assoziationen wie Nationalismus, Traditionalismus, Retrospektivität hervor. Abgelehnt wurde bzw. wird sie vor allem von der Jugend, die aber immer wieder nach Wegen suchte, traditionelle Musik mit Neuem zu verbinden. Vor allem seit den 1990er Jahren scheinen die Globalisierungstendenzen eine Gegenbewegung: eine Re-Lokalisierung („re-affirmation of local identity“) auszulösen – wobei allerdings zu fragen ist, ob die „eigene“ Tradition nicht längst fremd geworden ist und daher vor allem auf Jugendliche einen „exotischem“ Reiz ausübt.

Im Folgenden seien einige Exponenten der „Neuen Volksmusik“ genannt:

Hubert von Goisern

wurde 1952 geboren in Goisern/ Österreich. Sein eigentlicher Name ist Hubert Achleitner; den Künstlernamen wählte er, um seine Verbundenheit mit seinem Herkunftsort auszudrücken.

Er lernte als Jugendlicher Flügelhorn und klassische Gitarre und spielte früh in einer Blaskapelle mit.

Er unternahm viele Reisen. Im Alter von zwanzig Jahren ging er nach Südafrika und blieb dort drei Jahre. Er zog dann nach Toronto/ Kanada, wo er u. a. an der dortigen Musikhochschule studierte. Seine nächste Heimat wurden die Philippinen. 1984 Rückkehr nach Österreich, Studium an der Musikhochschule in Wien. Weitere Reisen führten ihn nach Tibet, Tansania, Ägypten, Westafrika und Lappland.

Hubert von Goisern kam über den Umweg der langen Auslandsaufenthalte, die ihn mit verschiedenen musikalischen Kulturen bekannt machten, anscheinend „auf den Trip der Volksmusik“. In einem Interview äußerte er: „Ich lebte auf den Philippinen vier Monate mit Eingeborenen in einer Pfahlbausiedlung, wo’s weder Strom noch Radio gab. Dort hatte die Volksmusik eine Lebendigkeit, wie ich sie noch nie vorher erlebt hatte. Da kam mir der Gedanke: So müsste die Musik auch bei uns irgendwann einmal gewesen sein“ (Seiler 1995, S. 54).

Andererseits erscheint ihm Traditionalismus fragwürdig. In einem in der Süddeutschen Zeitung veröffentlichten Interview betont er, dass ihm durch die Reisen das „Traditionsgetümmle äußerst suspekt geworden“ sei. Traditionalismus und die Identifikation mit der eigenen Kultur seien nicht nur positiv, sondern sie verengen auch den Blickwinkel, bewirken Intoleranz gegenüber Andersartigem (Forster 2006). Hubert von Goisern schwebt demgegenüber eine „Authentizität“ vor, „die nicht abschotte, sondern weltoffen ist“ (Huber 2001. S. 103).

1987 gründete er mit Wolfgang Staribacher die Gruppe Alpinkatzen, die 1994 aufgelöst wurde.

Nach geringen Erfolgen, musikalischer Umorientierung und dem Ausstieg von Staribacher feierte er mit neuen Begleitmusikern ab 1992 große Erfolge im gesamten deutschen Sprachraum. Eine besonders erfolgreiche Platte war Aufgeigen statt niederschiassen, erschienen bei Ariola, einer der großen Plattenfirmen. Sie enthält u. a. einen Song gegen den damaligen österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim.

Besonders populär wurde seine Version des Hiatamadl, eines in Bayern und Österreich beliebten traditionellen Volkstanzes, die als Single erschien. Hubert von Goisern avancierte zum populärsten Vertreter der neu entstandenen musikalischen Strömung Neue Volksmusik.

Erfolgreich wurde Hubert von Goisern – wie auch andere österreichische Musiker – vor allem in Deutschland, einem der größten Schallplatten-Absatzmärkte. Der österreichische Markt ist zu begrenzt. Hubert von Goiserns Manager Hage Hein hat sein Büro in München.

Nach einer Konzertpause von sieben Jahren, in der er viele Reisen unternahm, hatte er 2001 ein offizielles Comeback mit zwei erfolgreichen CDs und einer ausgedehnten, großenteils ausverkauften Tournee.

Hubert von Goiserns Musik soll sich im Lauf der Zeit verändert haben. Er gilt als derjenige, der traditionelle österreichische Musik mit Rockmusik verband (Alpenrock). In den letzten Jahren lässt sich bei ihm eine starke Tendenz zur Weltmusik feststellen.

Eine weitere CD mit dem Titel Omunduntn erschien 1994. Sie enthält u. a. eine Variante der Kaiserhymne bzw. des Deutschlandliedes.

Attwenger

Hubert von Goisern veröffentlicht bei der großen Plattenfirma Ariola. Das ist innerhalb der Szene der Neuen Volksmusik anscheinend recht selten und hat wohl auch den Preis gelegentlicher Zugeständnisse an die Vorstellungen der Plattenfirma. Dies brachte ihm öfter Kritik ein.

Andere Vertreter der Neuen Volksmusik veröffentlichen bei kleinen Independent-Labels: so etwa Attwenger bei der kleinen Münchener Plattenfirma Trikont. Das garantiert ihr zwar mehr Autonomie, jedoch weniger Erfolg.

Herkunftsort der Musikkapelle Attwenger ist Linz an der Donau. Die Gruppe besteht aus Schlagzeug (Markus Binder) und Akkordeon (Hans-Peter Falkner). „Zu sagen, dass die beiden Volksmusik machen, wäre ein Euphemismus. [...] Sie entwickelten [...] eine schräge Mutation von herkömmlicher Volksmusik, eine entschlossene Mischung von Elementen alter und neuer, alpenländischer und angloamerikanischer, akustischer und verstärkter Musik. Das Fundament bestand aus Stücken der oberösterreichischen Folklore, darüber türmten sich Lautstärke, Schepperer, Rückkoppelungen und witzige, vom Sprechgesang der amerikanischen Rapper beeinflußte Texte zu einem ansehnlichen, wenn auch windschiefen Bauwerk. Das Ergebnis war ein Regionalkunstwerk, das international Bewunderung weckte“ (Seiler 1995, S. 65).

Ihre Musik rief jedoch auch öfter Ratlosigkeit hervor: Sind Attwenger pro oder contra Volksmusik? Sind sie Parodisten oder Zerstörer? Über wen machen sie sich lustig? Wer sind ihre Vorbilder? (Seiler 1995, S. 65)

Die Gruppe löste sich 1995 auf.

Biermösl Blosn

Die Gruppe besteht aus den Brüdern Hans, Michael und Christoph Well, die alle in den 1950er Jahren geboren sind. Sie sind aufgewachsen in Günzlhofen, einem Dorf im Biermoos zwischen München und Augsburg (daher der Name, wobei „Blosn“ eine Clique oder Jugendbande bezeichnet). Sie entstammen einer 17-köpfigen Lehrerfamilie.

Die Gruppe besteht seit 1976. Der „musikalische Kopf“ der Gruppe ist Christoph Well, der Musik studiert hat und Solotrompeter bei den Münchner Philharmonikern und später Konzertharfenist war. Er beherrscht eine Vielzahl von Musikinstrumenten.

1980 lernten die Biermösl-Blosn den Kabarettisten Gerhard Polt kennen, arbeiten seitdem häufig mit ihm zusammen und traten u. a. in der Kabarettsendung Scheibenwischer auf. Sie hatten auch gemeinsame Auftritte mit den Toten Hosen.

Die Biermösl Blosn gelten als die „Urzelle“ der Neuen Volksmusik. Sie singen aufmüpfige Texte nach traditionellen Melodien, verknüpfen die regionale Musiktradition jedoch mit anderen Musikstilen. Die Texte, die von der traditionellen Form der bayerischen Gstanzl inspiriert sind, beziehen sich oft auf politische Ereignisse und prangern sie an. (Gstanzl sind bayerisch-österreichische Spottgesänge im Dialekt, gedichtet in gereimten Vierzeilern. Sie werden meist improvisiert.)

Die Biermösl Blosn haben sich oft in die Politik eingemischt, etwa bei Protestaktionen in dem ostbayerischen Ort Wackersdorf. Dort sollte Anfang der 1980er Jahre eine Wiederaufarbeitungsanlage für atomare Brennstäbe zur Verringerung der radioaktiven Abfallmenge errichtet werden. Das rief die Atomkraftgegner auf den Plan, die das Projekt schließlich verhindern konnten. Der Bayerische Rundfunk reagierte damals mit einem zeitweiligen Sendeboykott der Biermösl Blosn. Andererseits wurden der Gruppe im Laufe der Jahre zahlreiche Preise verliehen.

Die Wellküren

Seit 1986 treten drei weibliche Mitglieder der Familie Well unter dem Namen Die Wellküren ebenfalls mit großem Erfolg auf: auch sie mit Liedern, die auf der Basis traditioneller Volksmusik aktuelle Themen behandeln. Ihre Musik basiert auf der bayerischen Tradition der Stubenmusik und des Dreigesangs. Verwendet werden traditionelle Instrumente wie Hackbrett, Nonnengeige, Nonnentrompete, Trumscheit.

(c) Probst-Effah 2009