Menschen mit Autismus zwischen Unterstützung und Selbstbestimmung. Eine Netzwerkanalyse von Circles of Support (abgeschlossen)

Erstgutachterin: Prof. Dr. Anne Waldschmidt, Universität zu Köln, Humanwissenschaftliche Fakultät

Zweitgutachterin: Prof. Dr. Kerstin Ziemen, Universität zu Köln, Humanwissenschaftliche Fakultät

Doktorandin: Dipl.-Soz.päd. Alina Kirschniok

Soziale Netzwerke gelten nach Pfennig (1995:2) als immanenter Teil unserer Gesellschaft. Das Netzwerkkonzept erhält in den unterschiedlichsten Forschungsrichtungen zunehmend Aufmerksamkeit. Im rehabilitationswissenschaftlichen Bereich wird die Netzwerkperspektive bislang nur unzureichend berücksichtigt. Eine große Bedeutung haben informelle Netzwerke insbesondere für Menschen mit Behinderung, da diese "zumeist über lokal begrenzte soziale Kontakte verfügen" (Keupp 1988: 15). Vor diesem Hintergrund hat die Dissertation so genannte Circles of Support (abgekürzt: COS) zum Gegenstand. Bei den COS handelt es sich um künstlich geschaffene Unterstützungsnetzwerke für Menschen mit Behinderung. Knust-Potter (2006) implementierte an der Fachhochschule Dortmund 1998 gemeinsam mit Studierenden erstmals Circles für Menschen mit Autismus, später wurden weitere Circles für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen und Lernschwierigkeiten eingerichtet. Die qualitativ ausgerichtete Studie nimmt das Dortmunder Beispiel der Circles of Support für Menschen mit Autismus in den Blick und untersucht unter netzwerkanalytischen Gesichtspunkten deren strukturelle und inhaltliche Merkmale. Die Dissertation möchte systematisches Wissen zur Struktur und Funktion von Circles of Support aus der Sicht aller im COS-Kontext teilnehmenden Akteure (die Circle Members, am Circle sukzessiv beteiligte Familienangehörige und therapeutische Fachkräfte) zusammentragen und damit einen originären Beitrag zur theoretischen Fundierung dieses Konzepts leisten.

Die Studie ist von folgenden Fragestellungen geleitet: Wie ist ein typischer Circle of Support hinsichtlich seiner Struktur konstituiert und welche Unterstützung leistet er für die Fokusperson? Welchen Beitrag leisten COS für die Verbesserung der Lebensqualität des Menschen mit Autismus? Inwieweit lassen sich die Sozial- und Handlungsräume sowie die Netzwerkstrukturen autistischer Menschen durch das COS-Modell erweitern? Wie werden Selbstbestimmung und Unterstützung von den COS-Akteuren konzeptionalisiert? Inwiefern wird die postulierte Selbstbestimmung umgesetzt und welche Kontextbedingungen sind dabei von Bedeutung? Inwieweit verändert sich die soziale Konstruktion von Behinderung? Welches Entwicklungspotential bietet die jeweilige COS-Struktur den einzelnen Beteiligten und welche (Unterstützungs-)Ressourcen sind im wechselseitigen Austauschprozess erkennbar? Mit der Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2007) werden sowohl COS-relevante Berichte und Protokolle als auch die mit 17 Personen durchgeführten problemzentrierten Interviews (nach Witzel 1985) sowie vorliegende standardisierte Fragebögen ausgewertet. Die Ergebnisse werden auf Erkenntnisse der Netzwerk-, Unterstützungs- und Behinderungsforschung bezogen und hinsichtlich ihrer Konsequenzen für Forschung und Praxis diskutiert.

Abschluss des Promotionsverfahrens an der Universität zu Köln: 21.12.2009 

Literatur:

KEUPP, HEINER (1988): Riskante Chancen. Das Subjekt zwischen Psychokultur und Selbstorganisation. Sozialpsychologische Studien. Heidelberg: Asanger Roland Verlag

KNUST-POTTER, EVEMARIE (2006): Circles of Support - kleine Netzwerke mit großer Wirkung. Menschen mit unterschiedlichen Ressourcen entdecken Gemeinsamkeit URL: http://www.costransnational.net/pdf/5%20dortmund/dortmund%20report.pdf, (15.01.2008)

MAYRING, PHILIPP (2007): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 9. Aufl., Weinheim: Beltz

PFENNIG, UWE (1995): Soziale Netzwerke in der Forschungspraxis: zur theoretischen Perspektive, Vergleichbarkeit und Standardisierung von Erhebungsverfahren sozialer Netzwerke; zur Validität und Reliabilität von egozentrierten Netz- und Namensgeneratoren. Darmstadt: DDD Dissertationsdruck und Verlag GmbH

WITZEL, ANDREAS (1985): Das problemzentrierte Interview. In: Jüttemann, Gerd (Hrsg): Qualitative Forschung in der Psychologie: Grundfragen, Verfahrensweisen, Anwendungsfelder. Weinheim, Basel: Beltz, S. 227-306.